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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 10 (Juliheft 1929)
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Tribünne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0304

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Mißversiändriis vom ausschließlichen Eristenzrecht des einen oder anderen oon belden
elnrnal ausgedeckt und durch die Einslcht ersetzt ist, daß beide kornplernentär zusammen-
gehören, — kann danu noch der ewige Vorrours gegen die Kirche erhoben toerden,
daß Gestalt und Lehre ihres „Christentums" der Erscheinung und dem Leben Jesu
roidersprechen? Gerade das Umgekehrte muß ja dann anerkannt werden! Aber selbst
die Rede Jesu von den Berusenen und von den Auserwählten versteht sich dann ohne
weiteres, und ebenso leicht der scheinbare — aber eben nur scheinbare! — Widerspruch,
in dem manche seiner Aussprüche zu manchen anderen stehen. Beide zusammenge-
nommen erst, ihr Esoterisches, Abstraktes, Dynamisches und ihr Exoterisches, Kon-
kretes, Statisches, ihr Außerkirchliches und ihr Kirchliches ergeben den ganzen Jesus,
in dessen Verwirklichuug sich Kirche und außerkirchlicher Geist funktionell teilen.
Sagen wir dem besreiten Papst nun vielleicht, was wir von ihm erwarten? Nichts,
was wir, dieser Natur der Dinge nach, von ihm ebensowenig wie vom Haupt einer
anderen Kirche erwarten dürfen! Weder die Katholisierung des außerkirchlichen Gei-
stes also, noch die Auflösung der Kirche in ein weltunbekümmert ungebundenes Gei-
stige! Jede Vertauschung oder gar Vermengung dieser zwei gleich gottgewollten
Rollen erschiene uns geradezu Gottes Willen zu widerstreiten. Auch das Wort „Ver-
söhnung" ist darum auf das gegenseitige Derhältnis der beiden unanwendbar; sobald
sie die Positionen erkennen, die jedem von ihnen wie von natürlicher Arbeitsteilung
her zugewiesen sind, kann es zwischen Kirche und Geist nur noch die Beziehung
respektvoller Zusammenarbeit zu gleichem Ziel geben. Natur jeder wahren Kirche:
Gestalt und Dogma. Natur außerkirchlichen Geistes: Gestaltlosigkeit und Freiheit.
Da nun aber die Welt nichts andereö ist als: ewiges Gestaltwerden des Gestaltlosen,
Verwandeltwerden des Suchens in Finden und des Erschauten in Licht, — wie
sollten da Kirche und suchender Menschengeist nicht endlich ihre Zwillingschaft er-
kennen müssen? Man räume nur endlich einmal mit den salschen Maßstäben aus,
die der Wahn von einem monistisch sunktionierenden Mechanismus der Welt einge-
sührt hat, und d ie alte Feindschast löst sich in Wettkampf, in sruchtbaren Wett-
kamps aus.

„Oona nobis psoern!" betet jetzt der besreite Papst, urn den herum Alles in dieser
Basilika, von der gliederstrengen Decke hoch oben bis herab in die geringste Hand-
reichung der Leviten, gestalt- und wortgewordene Menschenahnung von Gott ist;
„äong nobis paosm!" UnS heraußen, die wir aus der Sonne und dem Wind der
Welt hereinschauen aus ihn und uns selbst vor diesem Anblick der vollendeten Nuhe
ruhelos, ja niemals fertig aus jedem Leib wieder in das Leiblose und aus jedem Wort
wieder in das Unaussprechliche zurückgerufen sühlen, — uns bedeutet dies Wort frei-
lich Anderes, als es dem Papst — heute noch! — bedeuten mag; es drückt rrnS das
Wissen davon aus, daß alles Leben zwar Kamps, streitbares Wachsen des einen
Pols am Widerstand des anderen, aber gerade darum nicht Feindschast und nicht
Krieg ist. Trotzdem vernehmen auch wir draußen das Wort des Papsles mit Ehr-
furcht, und geben es rein und ausrichtig mit dem unseren zurück:„clonsnobispsoom!"
Wir wissen, daß Papst und Kirche hohe und weite Träume an diese Stunde knüpsen.
Wir wünschen ihnen die Ersüllung. Aber nicht etwa aus „Toleranz", „Liberalität"
oder gar ästhetisierender „Humanität"! Sondern weil uns die eigene Pflicht wie
der Besehl Gottes selbst ins Blut geschrieben ist und wir darum auch das Amt des
Anderen ohne Rückhalt begreisen. An eine missionarische Eroberung der Erde durch
die katholische Kirche glauben wir nicht; auch die Religionen, so scheint cs uns, sind
Geschöpse eines GotteS von höchster Mannigsaltigkeit, der in höchstcr Mannigsaltig-
keit gesucht und gefunden werden will. Auch an die Erbauung einer Weltkirche durch
die katholische, einer Weltkirche, die einzig das Gemeinsam-Allgemeine der verschiede-
nen Religionen umsaßte urid damit die Gebäude der einzelnen Kirchen überkuppelte,
vermögen wir nicht zu glauben; dies Werk wird, wenn überhaupt, nicht von einer

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