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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 7 (Aprilheft 1929)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0038

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auch unrmLLelbar danach in ein WachsgeschäfL ernLreLen. Und somi'L isi es guk,
daß ein Schausensler daran erinnerL, und daß auch die EigenLümerin der kleinen
Handlung weiß, wer nun in Bälde einLreLen wird. Es erleichLerL das ihre Ar-
bei'L, und die Menschen haben es gerne, wenn man sich an ihre Wünsche er-
innerL. Das Gespräch bekommL dadurch dcn Sinn, welchen der KleinstädLer
so besonders zu schähen weiß. llnd es ist halLbar und verdicnL die kleine Scho-
nung, die man ihm langehin noch gewährL.

„Das habe ich bei der Wachszieherin gekaufL, bei dem Fräulein Machilde,"
sagL man, während man die Kerze aus dem länglichen KarLon und aus dem
Seidenpapier nimmL. Man machL dami'L das Geschenk zu etwas ganz Be-
stimmtem. Ja, man weiß, daß für den anderen eben das noch dazugehört. Der
solcherweise BeschenkLe soll nämlich nicht im unklaren darüber sein, was ekwa
eine Sache gekosteL haben könnte. llnd wenn man hinzusügL, daß die älkere
Schwester der Mathilde, welche man Mariä nennL, die Treppe herabgekom-
men, muß der BeschenkLe von selber vermuken, daß eine aus diesem Wege er-
standene Gabe den herkömmlichen Kaufpreis überstiegen habe. Denn Mariä
zeigt sich nur in dem kleinen Kanfgewölbe, wenn Makhilde etwas ängstlich
ist und miL dem Verkaus glaubL allein nichL fertig zu werden.

Mariä LrägL eine leinene, gesaltete Schürze, mit einem LaH, dcr bis unterhalb
ihrer Halsrüsche reichL. Sie siehL nur sachlich und kühl aus, nichL gerade
böse. Dem Raum, den sie verlassen haL, enkströmL ein süßlicher Geruch: Ho-
nigwachs. llnd weil ihr so scheinL, daß sie gewünschL werde, bleibL sie über den
ZeiLraum der kleinen Verhandlung auch oberhalb der Treppe stehen. llnd
dabci greisL sie doch auch wiederum nicht vor, sondern begnügL sich damik, etwa
eine notwendige Frage, welche nun von MaLhilde ausgesprochen werden kann,
zu beantworten. llnd was cinem die Erinnerung an Mariä dabei höchstens
etwas merkwürdig machen kann, sind nur ihre hageren, länglichen Hände, die
sie in einer ihr gebräuchlichcn Weise fragend aneinander hält, indem die Innen-
släche der einen Hand die der anderen zudeckL. 2luch daraus aber erfährL
man abermals nur eines, nämlich das, daß das Leben der Mariä in einer ihr
bestimmten Ordnnng verläufL, deren Wiederkehr wohl ohne AbsichL sich wie
eine 2lrt Tugend herausstellk.

Ist man indessen solcherweise seinem Vertrauen ganz anheimgegeben, so nimmL
man es ganz von selber wie eine BeschäfLigung anf sich. llnd man erfüllL
dicsclbe, ohnc viel aufzusehen; denn ohne daß man nunmehr über sein Vcr-
Lrauen wachL, wird es dem Wesen ähnlich, welches MaLhilde zur Schau Lrägk.
Nvmlich in der Weichheit, nnL der dieselbe nach ekwas suchL, womik sie uns
dicnen könnke... Selbst ein Kind wird man nichL solcherweise hanLieren sehen
wie MaLhilde, und wenn man eine Frau an ihrer StaLL in das Gewölbe
siellte, würde es diese noch um vieles anders machen. Es ist nämlich „der
Stand", welcher uns an dieser Person zur Rührung bringL; der Skand, der
nichL mehr in einen anderen sich hinüberveränderL. Denn Mathilde ist nichL
mehr 20 Iahre und auch nichL Zg, sie isi vielleichk schon über 50 Iahre alL,
also, wenn wir so wollen, ein bereits alterndes Fräulein. llnd der crhöhke
WerL, mag er so unscheinbar sein wie nur möglich, besteht eben darin, daß
sie es nnL jener Würde isi, die jede 2llLcrssiufe begleiten muß, soll sie hin-
wiederum auch unser Herz anmuken, wie es jene wächsernen Herzen Lun, die
 
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