Hofmann für sein Leben Enkfcheidendes.
Sie fanden sich (wie er es noch vor knr-
zem felbft ausgefprochen hat), „weil uns
die Derzweiflung über die Lage der freien
Volksbildung vor die Frage gestellt hatte,
was wir denn eigentlich in dieser Ange-
legenheit noch zu tun hätten. Jn der
allgemeinen Befriedigung darüber, wie
herrlich weit wir es auch auf diesem Ge-
biet gebracht hatten, standen wir isoliert,
als die Zweifler an allem, als die Über-
zeugten, daß nur eine völlige Wandlung
den Gedanken der freien Bolksbildung
retten könne." Diese Jsvlierung fchien
mit dem Jahr igi8 zu Ende zu sein,
denn nun setzte in großem Strom allent-
halben öer Wille ein, Bolkshochfchulen
zu gründen. ErdbergS Absichten und
Grundsätze fchienen allenthalben die
reinfte Zuftimmung zu finden. Und doch
begann gerade jetzt für Erdberg der
Kampf aufs neue, einmal gegen alle
Gründungen ohne die nötigen geiftigen
Voraussetzungen, gegen alle die Neu-
gründungen, die den Volksbildungsbetrieb
fortsetzten unter neuem Namen. Dane-
ben aber ftand der Kampf auch gegen
ernftere Gegner unter den Freunden, ge-
gen alle die Versuche,VolksbiIdungSarbeit
nur auf Begeifterung oder auf an-
dere Gefühlsmomente zu begründen.
Dem trat Erdberg entgegen mit der
fcharfen Forderung ernfter, harter gei-
ftiger Arbeit in der Volkshochfchule.
Hier sah er innner den Kern seiner Ar-
beit, dies Suchen nach den geiftigen Kräf-
ten zu vertiefen im Kreise der für die Ar-
beit Derantwortlichen — dazu wollte
von Anfang an (igog) das von ihrn ge-
gründete DolksbildungSarchiv dienen —,
dann aber auch im Umkreis aller derer,
die in den Kreis der Dolköhochfchulen
eintraten. Dieses Drängen auf den Ernft,
die Kraft und die Verantwortlichkeit gei-
ftiger Arbeit ftand hinter all seinem Tun.
Diesem Suchen und Fragen war er ftets
offen, wo er Ernft unö Kraft spürte.
Jhm sollte die Zeitfchrift dienen und
ebenso der von ihm mitgegründete Hohen-
rodter Bund als freie ArbeitSgemein-
fchaft derer, die sich gemeinsam dieser
Aufgabe verpflichtet fühlten, und als Är-
beitsftätten die Deutfche Zentralftelle für
volkstümliches Büchereiwesen und die
Deutfche Schule für Volksforfchung und
Erwachsenenbildung. Und diese ftete Ver-
bindung mit fchaffenden Kräften am
Werk ftehender Menfchen erhielt Erd-
berg ftets jung. Er selbft fühlte sich in
öiesen Jahren öer Nachkriegszeit jünger
als in den Jahrzehnten zuvor. Darum
konnte ihn auch öie jüngere Generation
als einen der ihren empfinden. Er war
uns Führer, uns gegenübertretend mit
der Größe der ftets erneuten Forderung,
uns aber gleichzeitig zur Seite tretend
in dem ftarken, immer wieder als llber-
raschung gefchenkten Vertrauen. Es war
nicht leicht, ihn fchnell zu erkennen, denn
er erfchloß sich langsam und selten ganz,
aber ftets spürte man bei jedem llber-
fchreiten der erften Grenzzone die warme,
rein menschliche Herzlichkeit, die er dem
entgegenbrachte, der ihm ernfthaft nahte.
Er war eine im Tiefen durchaus religiöse
Persönlichkeit, doch habe ich ihn nie von
diesen Fragen wirklich reden hören, und
auch, wo er einmal hinwies, nicht ohne
die zartefte Scheu. Ebenso war sein gan-
zes Denken und Tun von sozialem Den-
ken und Verpflichtetsein beftimmt, und
doch verfchaffte er sich durch Worte nie
die hier billige öffentliche Zuftimmung.
Seine ftärkfte Wirkung lag nicht in dem,
was er selbft baute in Worten oder Grün-
dungen, sondern in dem fteten unbeirr-
baren Aufftellen der Forderung der Jn-
tensivierung der Arbeit. Wir alle, die
wir heute in der Arbeit ftehen, wissen,
was die Dolksbildungsarbeit der letzten
Jahrzehnte ihm zu verdanken hat und
was der Verluft bedeutet für uns, für
dic Bildungsarbeit und unser Volk.
Adolf Waas
Leibl
ie Galerie Matrhießen hat die Leibl-
Ausftellung aus demWallraf-Richartz-
Museum in die Berliner Akaöemie der
Künfte übergeführt und mit dieser Hul-
digung uns eine Gelegenheit zur Besin-
nung gegeben, die kein anderer Meifter
hätte gewähren können: weil kein zweiter
von den großen Deutfchen unsere Vor-
züge und unsere Fehler so deutlich und
in so verzwickter Vermifchung zeigt
wie er.
Jch weiß freilich nicht, ob die Mehrzahl
unserer f)ungen sich die Mühe nimmt,
ihn zu ftudieren; von vielen wird er ge-
wiß als Naturabfchreiber abgetan. Viel-
leicht geben aber doch die gar zu augen-
fcheinlich kläglichen Ergebnisse, Bilöer
allein mit den Bildern aus des Busens
Abgrundtiefe zu erfüllen, einigen zu den-
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Sie fanden sich (wie er es noch vor knr-
zem felbft ausgefprochen hat), „weil uns
die Derzweiflung über die Lage der freien
Volksbildung vor die Frage gestellt hatte,
was wir denn eigentlich in dieser Ange-
legenheit noch zu tun hätten. Jn der
allgemeinen Befriedigung darüber, wie
herrlich weit wir es auch auf diesem Ge-
biet gebracht hatten, standen wir isoliert,
als die Zweifler an allem, als die Über-
zeugten, daß nur eine völlige Wandlung
den Gedanken der freien Bolksbildung
retten könne." Diese Jsvlierung fchien
mit dem Jahr igi8 zu Ende zu sein,
denn nun setzte in großem Strom allent-
halben öer Wille ein, Bolkshochfchulen
zu gründen. ErdbergS Absichten und
Grundsätze fchienen allenthalben die
reinfte Zuftimmung zu finden. Und doch
begann gerade jetzt für Erdberg der
Kampf aufs neue, einmal gegen alle
Gründungen ohne die nötigen geiftigen
Voraussetzungen, gegen alle die Neu-
gründungen, die den Volksbildungsbetrieb
fortsetzten unter neuem Namen. Dane-
ben aber ftand der Kampf auch gegen
ernftere Gegner unter den Freunden, ge-
gen alle die Versuche,VolksbiIdungSarbeit
nur auf Begeifterung oder auf an-
dere Gefühlsmomente zu begründen.
Dem trat Erdberg entgegen mit der
fcharfen Forderung ernfter, harter gei-
ftiger Arbeit in der Volkshochfchule.
Hier sah er innner den Kern seiner Ar-
beit, dies Suchen nach den geiftigen Kräf-
ten zu vertiefen im Kreise der für die Ar-
beit Derantwortlichen — dazu wollte
von Anfang an (igog) das von ihrn ge-
gründete DolksbildungSarchiv dienen —,
dann aber auch im Umkreis aller derer,
die in den Kreis der Dolköhochfchulen
eintraten. Dieses Drängen auf den Ernft,
die Kraft und die Verantwortlichkeit gei-
ftiger Arbeit ftand hinter all seinem Tun.
Diesem Suchen und Fragen war er ftets
offen, wo er Ernft unö Kraft spürte.
Jhm sollte die Zeitfchrift dienen und
ebenso der von ihm mitgegründete Hohen-
rodter Bund als freie ArbeitSgemein-
fchaft derer, die sich gemeinsam dieser
Aufgabe verpflichtet fühlten, und als Är-
beitsftätten die Deutfche Zentralftelle für
volkstümliches Büchereiwesen und die
Deutfche Schule für Volksforfchung und
Erwachsenenbildung. Und diese ftete Ver-
bindung mit fchaffenden Kräften am
Werk ftehender Menfchen erhielt Erd-
berg ftets jung. Er selbft fühlte sich in
öiesen Jahren öer Nachkriegszeit jünger
als in den Jahrzehnten zuvor. Darum
konnte ihn auch öie jüngere Generation
als einen der ihren empfinden. Er war
uns Führer, uns gegenübertretend mit
der Größe der ftets erneuten Forderung,
uns aber gleichzeitig zur Seite tretend
in dem ftarken, immer wieder als llber-
raschung gefchenkten Vertrauen. Es war
nicht leicht, ihn fchnell zu erkennen, denn
er erfchloß sich langsam und selten ganz,
aber ftets spürte man bei jedem llber-
fchreiten der erften Grenzzone die warme,
rein menschliche Herzlichkeit, die er dem
entgegenbrachte, der ihm ernfthaft nahte.
Er war eine im Tiefen durchaus religiöse
Persönlichkeit, doch habe ich ihn nie von
diesen Fragen wirklich reden hören, und
auch, wo er einmal hinwies, nicht ohne
die zartefte Scheu. Ebenso war sein gan-
zes Denken und Tun von sozialem Den-
ken und Verpflichtetsein beftimmt, und
doch verfchaffte er sich durch Worte nie
die hier billige öffentliche Zuftimmung.
Seine ftärkfte Wirkung lag nicht in dem,
was er selbft baute in Worten oder Grün-
dungen, sondern in dem fteten unbeirr-
baren Aufftellen der Forderung der Jn-
tensivierung der Arbeit. Wir alle, die
wir heute in der Arbeit ftehen, wissen,
was die Dolksbildungsarbeit der letzten
Jahrzehnte ihm zu verdanken hat und
was der Verluft bedeutet für uns, für
dic Bildungsarbeit und unser Volk.
Adolf Waas
Leibl
ie Galerie Matrhießen hat die Leibl-
Ausftellung aus demWallraf-Richartz-
Museum in die Berliner Akaöemie der
Künfte übergeführt und mit dieser Hul-
digung uns eine Gelegenheit zur Besin-
nung gegeben, die kein anderer Meifter
hätte gewähren können: weil kein zweiter
von den großen Deutfchen unsere Vor-
züge und unsere Fehler so deutlich und
in so verzwickter Vermifchung zeigt
wie er.
Jch weiß freilich nicht, ob die Mehrzahl
unserer f)ungen sich die Mühe nimmt,
ihn zu ftudieren; von vielen wird er ge-
wiß als Naturabfchreiber abgetan. Viel-
leicht geben aber doch die gar zu augen-
fcheinlich kläglichen Ergebnisse, Bilöer
allein mit den Bildern aus des Busens
Abgrundtiefe zu erfüllen, einigen zu den-
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