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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 11 (Augustheft 1929)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0392

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zu machen und daraus eine Geschmacks-
gesundung unseres Wohnungswesens her-
zuleiten. So wendet sich diese Ausstel-
lung nichk an den kleinen Kreis der Fach-
leute, sondern unmittelbar an die große
Masse unseres Volkes.

Der Grundgedanke der Ausstellung be-
sagt, daß es weder notwendig noch er-
wünscht, sondern sogar völlig verkehrt ist,
sich gleich bei der Gründung des Haus-
haltes eine vollständige Wohnungseinrich-
tung zu besorgen, wie dies bisher üblich
war und noch üblich ist. Wie aber wird
dieser Gedanke heute verwirklicht? Man
geht in ein Möbelmagazin und kaust eine
„komplette" Wohnzimmer-Einrichtung im
Stil Louis XIV., ein Schlaszimmer im
Stil Louis XVI. und so fort, jedes Zim-
mer im Stil eines anderen Louis. DaS
„Gift", das die jungen Eheleute von den
fürsorglichen Eltern mitbekommen, bela-
stet den DrganismuS des neuen Haus-
haltes in einer unerträglichen Weise.
Nicht nur, daß man die Möglichkeit
sich verbaut hat, Ergänzungen vorzuneh-
men, wenn es sich bei Vergrößerung der
Familie als notwendig erweist, — es ist
auch von vornherein viel mehr vorhan-
den, als unbedingt nötig wäre, und, vor
allem: der Geschmack ändert sich uud man
bekommt für die einst gekausten „Stil-
möbel", wenn man sich neu einrichten
will, nur einen geringen Bruchteil der
ausgewendeten Summe.

Wie läßt sich diesem Übelstand abhelsen,
und was braucht der Mensch in seiner
Wohnung? Er braucht ein Bett, einen
Tisch mit Stühlen, Schränke zum Aus-
bewahren von Kleidern, Wäsche, Gerät-
schästen. Die richtige Wahl diejer Dinge
gleich von Anfang an macht es möglich,
daß diese auch in einer reicheren llmge-
bung brauchbar bleiben, denn gute Stücke,
die sachlich durchkonstruiert sind, passen
immer zueinander. Der Gedanke der fer-
tig bezogenen „kompletten" Einrichtung
aber bringt Starrheit und Leblosigkeit mit
sich. Einheitlichkeit der Raumwirkung
läßt sich auch erreichen, wenn die Bezüge
der Sitzmöbel, die Vorhänge und die
Teppiche untereinander verschieden sind
und wenn jeder Formenzwang im Aus-
bau der Möbel ausgeschaltet bleibt.

Die Formen unseres HauörateS wie un-
serer Hauögeräte sind durch den jahrhun-
dcrkelangen, stets gleichbleibenden Ge-
brauch in ihren Grundzügen derart sest-
gelegt, daß es sich bei der formalen Ge-

staltung im einzclnen nur um mehr oder
weniger geschmackliche oder ästhetische Lö-
sungen handelt. Je einfacher und klarer
eine Form ist, um so besser ist sie auch.
So gibt es aus dieser Ausstellung keine
vollständige Polstergarnitur, und auch
kein zwecklos an allen Stücken sich wie-
derholendes Ornament. Die Sihmöbel
eines Raumes sind in der Form verschie-
den und haben verschiedenfarbige Be-
züge. Die Schränke sind schlicht in der
Durchführung, zweckmäßig und gut in
den Verhältnissen. Alles ordnek sich, an-
mutig den Raum belebend, aber sich in
keiner Weise vordrängend, dem Gesamt-
eindruck unter. Jedem berechtigten An-
spruch an Brauchbarkeit und Zweckmä-
ßigkeit unter Fortlassen des llberslüssi-
gen versucht diese Ausstellung nachzukom-
men. Die Wohnung wächst mit dem Le-
ben ihres Eigentümers, wie sich beim
Baum die Jahresringe aneinandersügen.
Wie bei der Vergrößerung der Familie
zweckmäßig, schön und wohlfcil eine vor-
handene Wohnungseinrichtung verändert
werden kann, wird gezeigt. Allerdings
sind die meisten der Einrichtungsstücke
erstmalig und einmalig sür die Ausstel-
lung angefertigt, wodurch sich die in den
Katalog eingesetzten Preise erklären. Bei
Serienanfertigung wird sich natürlich eine
Herabsetzung der Preise ergeben.
Ebensalls aus dem Arbeitsbercich deS
deutschen Werkbundes stammt eine Aus-
stellung von Einzelräumen und Einzelge-
rät, Keramik, Glas, Handweberei, Stosse,
Tapeten, und in ähnlichem Sinne suchen
die Kölner Werkschulen, die Riemerschmid
vorbildlich leitet, einer Gesundung unse-
rer deutschen Werkkunst Freunde zu wer-
ben. WalterBombe

Ein Kriegsbuch von Paul 2IIverdes

S war ein häusiges Geschehnis im ver-
gangenen Kriege (und vielleicht in allen
einstigen und künstigen), daß, sobald ein
Mann verwundet war und schrie: „Sani-
läter, Sanitäter!" die Kameraden ihn zu-
nächst verließen.

Das war ein lebendiger Aberglaube, als
seien blutige Wunden ansteckend und
könnten überspringen, als bedeute des
Blutenden oder Todgeweihten Nähe ein
glciches Schicksal. Von dem Augenblick
der Derwundung an gehört aber auch
der Soldat einem neuen großen Bunde
an, den vom Kriegsgott Gezeichneken, und

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