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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1929)
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Eberlein, Kurt Karl: Anselm Feuerbach: zum 100. Geburtstag des Künstlers am 12. September
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0418

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sehnke damals in der Zeit Wagners eine Musik, wie sie Nietzsche, Burck-
hardt oder HildebrandL erLräumLen, eine südlich helle, sinnlich bunLe, rhykh-
misch reine, idealisih heikere Formenmusik der singenden, Lanzenden, fesilichen
Seele. Diese Traummusik konnLe nichk klingen, nichk werden, nichL leben, weil
die ZeiL erfülleL war, weil der Renaissancismus eine Spiegelung, eine kata
inorgaua, eine ZeiLLheaLerdekoraLion für Gründer und GroßstädLer war, weil
Feuerbach ein Feuerbach war, ein fremder, kranker, ruhloser GeistesaristokraL
des sterbenden Humanismus. Der geisteskranke Scheffel, der kranke Niehsche,
der verzweifelte Marees, der ästhekische HildebrandL, der geisteskranke Meyer
und der zarksinnige geistreiche BurckhardL, das waren die Vorkämyfer des
neudeutschen Renaissancismus, der dann von DekoraLionskünstlern wie Gedon,
von Koyisteu und Gernegroßen wie Lenbach und Stuck großgezüchtek wurde. Diese
Haus- und Atelierrenaissance war ZeikfluchL, ZeiLschwäche, Zeitmaske, Künst-
leryose und Parvenükum einer kleinstädLischen geist- und religionlosen Schein-
kultur, die keine NaLionalkulLur war. Wir müssen ein andermal dies Phä-
nomen eingehender erklären. PiloLy und MakarL, Lenbach und Werner
waren die Künstler dieser NüLion, auf die Feuerbachs WorLe sti'mmten, daß
große Kriege immer dumm machen. Man liebte Galeriebilder und Kunst-
vereinsbilder, Sensationsbilder, Panoramen und Photograyhien. Man wollte
schöne Mädchen und Frauen „im eleganten Feld", wie sie auch Feuerbach in
seinen Frühlingsbildern malte, modisch gekleideL, oder Kriegsbilder und StaaLs-
aktionen. Feuerbachs Bildungsknnst war längst überlebt. Böcklin sagke „Die
Kunst ist nicht für alle", aber man wollte ja gerade die Kunst für alle. Die
Kunst gehörte immer allen oder vielen, in Wahrheit aber immer nur den
kovv". Kunst gehört immer nur denen, die sie erleben, denen sie nicht
nur KunstwerL, sondern auch Lebenswert ist. „2ln das GötLliche glauben die
allein, die es selber sind!"

Wenn Feuerbach heute noch lebL, so ist daran zum guten Teil ein Bnch be-
LeiligL, sein Buch, sein BermächLnis, in dem er als ein feiner Denker und Ge-
dankenmusiker, als ein großer Bekenner und SchrifLstellcr erscheink. Durch
sein Buch gesehen, wurde seine Kunst lebendig, die Kunst eines Menschen, der
das Glück der Persönlichkeit in einer eigenen DenkarL besaß, in einer scharfen,
prophetischen Zeit- und KulturkriLik. Wir wollen den Denker, den SchrifL-
steller, den Kritiker nichk vergessen, wenn wir von Feuerbach sprechen, den
Geistvollen, der von sich sagen durfte: „Mein Geist ift rastlos Lätig und wenn
ich die hinkerste Wand wegschiebe, so funkelt ctwas durch die SpalLen wie
viel LichL." Er haL Rechk behalten: „Die GerechtigkeiL wohnL in der Ge-
schichke, nicht im einzelnen Menschenlebcn." Wenn Feuerbach heute noch
lebt, wenn hundert Iahre nicht vermocht haben, seine GestalL ins Dunkel zu
ziehen, seine Bilder zu verhüllcn, so muß eine Kraft, ei'n Geist in ihm leben,
der über das Enge, Menschliche, Sterbliche hinaus, über Kultur nnd Bil-
dung hinaus seine Kunst durchglühL, eine Seele, die immer noch zu singen
weiß. Diese Seele, die aus dem kleinen zerbrechlichen Gefäß eines kranken
Lebens wie eine Flamme immer noch die Höhe sucht, erhellk uns wie die
Kunst selbst das müde Dunkel, weiht den Naum, beseelt die Wand nnd glüht
wie unsierbliche Sehnsucht, die uns als ein Ahnden der GoktheiL das enge
Dasein zur Ewigkeit erweikert!

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