gend Einfluß nimml, hat auf die schlank
und fchwunghaft in die Höhe ftrebende
Krone wuchtige Lasten gelegt, und so ver-
krüppelt der Baum, die Zweige biegen
fich nach unten, und waS bestimmt war,
eine wundervolle Palme zu werden, wird
— eine Trauerweide!"
Doch wir wollen nicht weiter von dem
Jnhalte der Novelle sprechen, wir müß-
ten sie sonst abschreiben. Hingegen wäre
es ein Unrecht, die Einleitung der Her-
ausgeberin nicht eigens hervorzuheben,
die, methodisch und stilistisch ausgezeichnet,
über den Rahmen ihrer unmittelbaren
Veranlassung hinauS dem verwickelten
Problem Droste-Schücking besonnen,
kenntnisreich und mit feinem Spürsinn
gerecht wird.
„Der Tod in der Wüste"
^IN öem außergewöhnlichen Buch Ph.
^^Macdonalös* wird der Untergang
einer britischen Kävallerie-Patrouille in der
arabischen Wüste erzählt. Er ereignet sich
während des WeltkriegeS, und die han-
delnden Personen sind nicht aktive Sol-
daten, sondern Freiwillige und Ausge-
hobene, wie sie ja schon sehr bald den
eigentlichen Bestand aller damals kämp-
fenden Armeen auSmachten. Jnsoferne
kann man das Buch ein Kriegsbuch nen-
nen, wenngleich eS sich von den meisten
landläufigen dadurch unterscheidet, daß
seine Fabel und seine Gestalten frei er-
funden sind, und daß sich alles nach den
geheimen Gesetzen der dichterischen Er-
zählung begibt. Auch wird darin vom
Kriege selbst kaum geredet, und wo einer
sich darüber äußert, bleibt er in der
Sphäre seiner Person und hat nicht etwa
im geheimen Auftrage des Derfassers die
Leserschaft für oder gegen das Ereignis,
in das er verstrickt ist, einzunehmen.
Es beginnt damit, daß der Leutnant fällt
und daß die zehn Übrigen unter der
Führung eines Sergeanten in einer win-
zigen Oase bei Wasser und palmen in-
mitten des nackten Sandfeldes von einem
unsichtbaren Gegner eingeschlossen wer-
den. Jn der ersten Nacht verli'eren sie
die Gäule, zwei Mann bleiben dabei lie-
gen, und nun folgt durch die wenigen
Tage, die sie noch aushalten, Unhei'l auf
Unheil, einer nach dem andern fällt oder
„Dec Tod in der Wüfte", Roman, Derlag
Th. Knaur Nachf.
kehrt nicht zurück, zuletzt ist der Sergeant
allein noch übrig, um über der Leiche
deS letzten Gegners zu sterben.
Wie dies aber nun im einzelnen vorge-
tragen wird, wie Spannung und Ent-
spannung weise verteilt sind, wie jede die
andere immer nur zu steigern scheint, wie
das ganz Spezielle eines solchen Pa-
trouillen-Schicksals sich in das Allge-
mein-Gültige, allen Berständliche und alle
Erschütternde erhebt, das darf man wahr-
haft dichterisch nennen. Denn natürlich
muß das „Spezielle" in unserem Sinne,
das militärische und taktische Drum und
Dran gerade einer solchen Begebenheit
völlig und unbezweifelbar beschrieben wer-
den: ja, je abenteuerlicher und unvorstell-
barer die Handlung sich entwickelt, um
desto weniger kann dem Autor an Ge-
nauigkeit, Klarheit, Dorstellungskraft und
Folgerichtigkeit erlassen werden, denn es
ist die Natur des Menschen, daß er mit
dem Erdboden beginnen muß, auch wenn
er fliegen will. Daß hiermit Weitschwei-
fi'gkeit und Breite nicht notwendig ver-
bunden sein müssen,beweistMacdonaldauf
das glücklichste, es ist bewundernswert,
mit wie wenig Aufwand er auskommt,
um die nichts weniger als einfache Si-
tuation in jedem Augenblick durchschaubar
zu machen. Das gleiche gilt für scine
Menschen, denn freilich bedarf er Men-
schen zu seinen Zwecken, Kerle ganz be-
sonderer oder ganz unbesonderer Erschei-
nung und keiner Scheibenfiguren. Sie
charakterisieren sich selbst, manche nur
durch ein Phlegma oder ein Grinsen, an-
dere durch ihr Reden, Tun und Lassen.
Da ist Morelli, vormals Variete-Tän-
zer, mit seinem „JonaStum", da ist der
brutale und höchst wackere jüdische Boxer
Abelson und sein armseliger Gegner San-
derS, der zuletzt einem schwärmenden
Wahnsinn verfällt; da ist Brown, Kunst-
maler, der unmittelbar vor seinem Tode
ein venezianisches Abenteuer erzählt, da
,'st der biedere Hale, der im Fieber in
den Tod wankt, der schottische Maat
Cook, der den Meisterboxer besteht, da
ist endlich dieser Prachtkerl von Sergeant,
wortkarg, unerschütterlich, unbesieglich bis
in seinen Tod, ein Soldat durch und durch
und mehr als das, ein wahrer Mensch.
Als es zu Ende geht und er mit
dem noch übrigen Morelli in der
Mondnacht vor dem lauernden Femd
liegt, spricht er plötzlich über seine Be-
fehlsübung, über das, was er vermutlich
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und fchwunghaft in die Höhe ftrebende
Krone wuchtige Lasten gelegt, und so ver-
krüppelt der Baum, die Zweige biegen
fich nach unten, und waS bestimmt war,
eine wundervolle Palme zu werden, wird
— eine Trauerweide!"
Doch wir wollen nicht weiter von dem
Jnhalte der Novelle sprechen, wir müß-
ten sie sonst abschreiben. Hingegen wäre
es ein Unrecht, die Einleitung der Her-
ausgeberin nicht eigens hervorzuheben,
die, methodisch und stilistisch ausgezeichnet,
über den Rahmen ihrer unmittelbaren
Veranlassung hinauS dem verwickelten
Problem Droste-Schücking besonnen,
kenntnisreich und mit feinem Spürsinn
gerecht wird.
„Der Tod in der Wüste"
^IN öem außergewöhnlichen Buch Ph.
^^Macdonalös* wird der Untergang
einer britischen Kävallerie-Patrouille in der
arabischen Wüste erzählt. Er ereignet sich
während des WeltkriegeS, und die han-
delnden Personen sind nicht aktive Sol-
daten, sondern Freiwillige und Ausge-
hobene, wie sie ja schon sehr bald den
eigentlichen Bestand aller damals kämp-
fenden Armeen auSmachten. Jnsoferne
kann man das Buch ein Kriegsbuch nen-
nen, wenngleich eS sich von den meisten
landläufigen dadurch unterscheidet, daß
seine Fabel und seine Gestalten frei er-
funden sind, und daß sich alles nach den
geheimen Gesetzen der dichterischen Er-
zählung begibt. Auch wird darin vom
Kriege selbst kaum geredet, und wo einer
sich darüber äußert, bleibt er in der
Sphäre seiner Person und hat nicht etwa
im geheimen Auftrage des Derfassers die
Leserschaft für oder gegen das Ereignis,
in das er verstrickt ist, einzunehmen.
Es beginnt damit, daß der Leutnant fällt
und daß die zehn Übrigen unter der
Führung eines Sergeanten in einer win-
zigen Oase bei Wasser und palmen in-
mitten des nackten Sandfeldes von einem
unsichtbaren Gegner eingeschlossen wer-
den. Jn der ersten Nacht verli'eren sie
die Gäule, zwei Mann bleiben dabei lie-
gen, und nun folgt durch die wenigen
Tage, die sie noch aushalten, Unhei'l auf
Unheil, einer nach dem andern fällt oder
„Dec Tod in der Wüfte", Roman, Derlag
Th. Knaur Nachf.
kehrt nicht zurück, zuletzt ist der Sergeant
allein noch übrig, um über der Leiche
deS letzten Gegners zu sterben.
Wie dies aber nun im einzelnen vorge-
tragen wird, wie Spannung und Ent-
spannung weise verteilt sind, wie jede die
andere immer nur zu steigern scheint, wie
das ganz Spezielle eines solchen Pa-
trouillen-Schicksals sich in das Allge-
mein-Gültige, allen Berständliche und alle
Erschütternde erhebt, das darf man wahr-
haft dichterisch nennen. Denn natürlich
muß das „Spezielle" in unserem Sinne,
das militärische und taktische Drum und
Dran gerade einer solchen Begebenheit
völlig und unbezweifelbar beschrieben wer-
den: ja, je abenteuerlicher und unvorstell-
barer die Handlung sich entwickelt, um
desto weniger kann dem Autor an Ge-
nauigkeit, Klarheit, Dorstellungskraft und
Folgerichtigkeit erlassen werden, denn es
ist die Natur des Menschen, daß er mit
dem Erdboden beginnen muß, auch wenn
er fliegen will. Daß hiermit Weitschwei-
fi'gkeit und Breite nicht notwendig ver-
bunden sein müssen,beweistMacdonaldauf
das glücklichste, es ist bewundernswert,
mit wie wenig Aufwand er auskommt,
um die nichts weniger als einfache Si-
tuation in jedem Augenblick durchschaubar
zu machen. Das gleiche gilt für scine
Menschen, denn freilich bedarf er Men-
schen zu seinen Zwecken, Kerle ganz be-
sonderer oder ganz unbesonderer Erschei-
nung und keiner Scheibenfiguren. Sie
charakterisieren sich selbst, manche nur
durch ein Phlegma oder ein Grinsen, an-
dere durch ihr Reden, Tun und Lassen.
Da ist Morelli, vormals Variete-Tän-
zer, mit seinem „JonaStum", da ist der
brutale und höchst wackere jüdische Boxer
Abelson und sein armseliger Gegner San-
derS, der zuletzt einem schwärmenden
Wahnsinn verfällt; da ist Brown, Kunst-
maler, der unmittelbar vor seinem Tode
ein venezianisches Abenteuer erzählt, da
,'st der biedere Hale, der im Fieber in
den Tod wankt, der schottische Maat
Cook, der den Meisterboxer besteht, da
ist endlich dieser Prachtkerl von Sergeant,
wortkarg, unerschütterlich, unbesieglich bis
in seinen Tod, ein Soldat durch und durch
und mehr als das, ein wahrer Mensch.
Als es zu Ende geht und er mit
dem noch übrigen Morelli in der
Mondnacht vor dem lauernden Femd
liegt, spricht er plötzlich über seine Be-
fehlsübung, über das, was er vermutlich
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