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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 7 (Aprilheft 1923)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0045

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nehmen wir mit Dank zur Kenntnis.
Vermutlich ist es — Zufall. Bei Palm-
ström! wir sind der Heiterkeit nicht ab--
geneigt. Und wenn die streng gelegten
Falten eine gelegentliche Umstellung
noch mitmachen, wollen wir recht gern
unser Gesicht dem „ständigen Kladdera--
datsch" einmal anders anpassen als für
gewöhnlich . ." K--L

^Bibliothek Voltaire" *

einer, nein keiner einzigen Methodei
des Denkens und Schreibens gestehen
wir die Aussicht zu, daß sie das Ziel
vor anderen erreiche; das Ziel: „Sehen,
was ist". Ihr glaubt es, Freunde der
„Bibliothek Voltaire", zu erreichen,
durch die Methode, „das Wort peinlich
zu kontrollieren"? oder sprechen wir
freier: durch den Geist eines echten
Skeptizismus? durch Anknüpfen an die
in Wahrheit nicht unfruchtbare Geistig--
keit jener großen Franzosen, die sich,
es ist gewiß, kein R für ein U» kein
Dogma für eine Äatsache, kein hohes,
pathetisches Gefühl für einen allzu-
menschlichen Trieb und keine sinndunkle
Theorie für einen armseligen Sachver--
halt vormachen ließen? Heil Euch! Es
ist wahr, wir sollten weniger sentimental
und dafür wirklichkeitbewußter sein als
wir sind, weniger gefühlig und dafür
fröhlicher (wenn auch, bei Voltaire!,
nicht so wirrsälig wie jener unglücklichs
und herzlich belanglose Frank Wede-
kind, den ihr für den Nachfolger eines
Diderot ausgebt!). Es ist wahr, dieser
große, heitere Skeptizismus und Geist-
reichtum ist wundervoll. Und er fehlt
unserer bald dunstigen, bald farbneb-
ligen Geistes-Mmosphäre allzusehr.
Diese Erzählungen des Iean Fran-
^ois Marmontel, „Moralische
Geschichten" benannt, die eure „Biblio-
thek Voltaire" eröffnen, man liest sie

* Bibliothek Voltaire, her-i
ausgegeben von Franz Schulz (Rud.
Kaemmerer-Verlag, Dresden): Mar-
montel, Moralische Geschichten, aus--
gewählt und übersetzt von Fr. Schulz;
mit 6 Lichtdrucken nach Gravelot. Di-
derot, Ist er gut? Ist er böse? Ko-
mödie in fünf Akten, zum ersten Mäl
ins Deutsche übertragen von Fr. Schulz;
mit Lichtdrucken nach Greuze, Bou--
cher, Moreau C. j.

mit innigem Behagen an der Klugheit,,
Reife, Geschmack- und WeltsicherheiL
ihres Verfassers; dieses Lustspiel de^
Denis Diderot: „Ist er gut? Ist
er böse?", es gehört zu den geistvoll-
sten Amüsements nicht nur seiner an
Geist-Amüsement so reichen Zeit, son-
dern aller Zeiten, wenn ich nicht irre;
mehr: es ist eine Gestaltung und Er-
findung von hohem Äang, deren In«
halt ein Stück unsäglich klug geschautee
Menschenwelt und Menschlichkeit bil-
det. Habt also Dank. And übrigens,.
— niemand nimmt euch eure „Ten-
denz" übel. Es ist euer gutes Recht,
auf jenes Ziel loszusteuern. Nur glau-
ben wir nicht so fest daran . . Im Zei-
chen Voltaires, Marmontels, Diderots
sehen lernen „was ist"? Ierum, wenn
nur „ist", was durch das Scheide-Glas
dessen zu sein „scheint", der die un-
erkennbaren Mächte nicht fühlt oder
leugnet und die größten Synthesen des
Seienden nicht zu erblicken wagt, wenn
nicht mehr in Wahrheit ist, als ihr
gelten lassen wollt ... ihr versteht
mich! Es hilft nichts, die Augen zu--
zumachen. Goethes Weltbild und Stif-
ters, Nietzsches und Whitmans, Rathe-
naus und Björnsons verschwinden nichb
aus dem Horizont, und wenn wir noch
so starr und steif durch die Brillen
schauen, die ihr der Zeit, aus zuge--
geben guten Gründen, vorschreibt. Im
übrigen aber — wenn ihr die Biblio-
thek Voltaire nicht gemacht hättet, sa
hätten wir sie bestimmt gemacht! Für
so notwendig halten wir sie. And
nach unserem notgedrungenen Bekennt--^
nis nur halber Gefolgschaft drucken wir
zur Kenntnis für unsere Freunde hrer
wortgetreu das Programm eures Än-
ternehmens ab. Nun eifre jeder seiner
unbestochenen, von Vorurteilen freien
Liebe nach . . K-V

„Die Bibliothek Voltaire
wird eine Reihe von Werken klassischer
und nachklassischer französischer Litera-
tur umfassen — zum Äeil Erstaus-»
gaben in deutscher Sprache, ausgewählt
unter dem Aspekt geistiger Aktualität
für uns und für die Zeit. Die BV ist
keine rein bibliophile Angelegenheit; sie
hat Sinn und Tendenz. (Allerdingsr
drucktechnisches Niveau wird ihren Wert
erhöhen.) Die Idee einer solchen Bü-
cherei entspringt dem Aberdruß aM

3^.
 
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