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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Lorenz, Felix: Die grosse Berliner Kunstausstellung 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0799

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DIE GROSSE BERLINER KUNST-AUSSI ELLUNG 1914

pressionisten", wie man es auf den Aus- Extremen zeigt sich in der Großen Berliner
Stellungen der verschiedenen neuen und freien Kunstausstellung im Moabiter Glaspalast (für die
Sezessionisten still lächelnd und enorm gelang- in diesem Jahr Karl Langhammer ver-
weilt beobachten muß, gehört durchaus in diese antwortlich zeichnet) die Neigung zur Be-
Richtung. Man braucht nur zu sehen, wie diese reicherung des Motivs. Daher auch der frische
jungen Leute mit der Farbe Schindluder treiben, Zug, der merkwürdig wohltuend durch diese
um sich ganz auf die Synthese zu stürzen — Säle weht. Man erkennt mit Freude an, daß
es gelingt ihnen nur leider in der Hilflosigkeit hier unter den Vertretern des „alten" Prinzips
ihres Nichtskönnens alles daneben, und das viel mehr junge Kraft und Lust am Werke
was sie suchten, den puren Inhalt des Dar- herrscht als in den marktschreierischen Kabi-
gestellten auszudrücken („Expression!"), schlägt netten der hundertfältigen „Isten". Und viel
gerade ins Gegenteil um. Rembrandt, der mehr Empfindung und viel mehr künstlerische
wahrste, stärkste und größte Expressionist aller Phantasie. Es ist freilich wahr, daß die ge-
Zeiten, müßte mit dem ungeheuren Reichtum häufte Menge des Ausgestellten, das bunte Zu-
seines Motivs den unsicher Tastenden doch viel noch immer verwirrend wirkt und die Ein-
deutlich genug sagen, welcher Weg zu gehen heit des Eindrucks stört, daß in den kleineren
sei. Die Theoretiker aber sind alle blind ■ Räumen das fatale Gespenst der Langeweile
und farbenblind dazu! umgeht, aber es muß andererseits eingesehen

Viel mehr als in den Ausstellungen der werden, wie unendlich schwierig es ist, bei

der Riesenhaftigkeit des Angebots die Auswahl
nur auf allererste Qualität zu beschränken. Man
weiß, daß die Jury, die schweißtriefend bei der
Arbeit sitzt, schon Hunderte von dannen weisen
muß; sie kann nicht ganz ohne Zugeständnisse
an den Kunstmarkt des Durchschnitts und an
die Konvention auskommen. Ein gewisser
Meßcharakter wird sich hier, wo das Gros der
Berliner Künstlerschaft zu Worte kommen muß,
nie ganz verleugnen lassen. Um so mehr be-
steht Anlaß, den Geschmack zu loben, mit dem
die an Zahl reichen, an Güte bemerkenswerten
Standardwerke dieser Ausstellung betont und
herausgehoben sind, mit dem die Hauptsäle
hergerichtet und feststehende Zentralpunkte ge-
schaffen wurden.

Der Empfangssaal, der schon immer für
Spezialausstellungen ausersehen war, gibt als
erster dieser Zentralpunkte einen Ausschnitt
aus der bescheidenen, aber handwerklich guten
Kunstübung zur Zeit Kaiser Wilhelm I. Da ist
stille Tüchtigkeit und keine Spur von Prätension.
Carl Becker, Steffeck, Gussow, Kraus,
Wiesniewski und mancher andere, der längst
vergessen, rufen Erinnerungen an eine künst-
lerisch freilich sturmlose Zeit zurück; einsam
überragend steht nur Menzel da. Im zweiten
Zentralpunkt, dem Monumentalsaal, dem Ernst
Pfannschmidt ein würdiges Gepräge gegeben,
findet man eine gut verteilte Fülle großzügiger
Kartons und Fresken: religiöse Studien von
Pfannschmidt selbst, dann Eich ler, Egger-
Lienz und des Holländers Toorop stark
gefühlte Skizzen für sein „Abendmahl". Die
lebhafteste Wirkung geben dann die Säle,
welche die große Aquarell - und Pastell-Aus-
stellung umfassen. Hier ist eine Schau über
das internationale Schaffen auf diesen intimeren
Gebieten der Malerei geboten, wie sie kaum
david georg schreyögg noch dagewesen ist, und hier namentlich ist

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