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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 3.1913-1914

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Eisler, Max: Neue Wiener Interieurkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.22030#0805

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NEUE WIENER INIERIEURKUNS1

des Kleinbürgers dienen
und in der letzten Möbel-
ausstellung mit vertreten
waren, melden sich noch
schüchterne Versuche, „be-
liebte" Epochen, nament-
lich die deutsche Renais-
sance, das Rokoko und
Empire, zu rekapitulieren.
Aber es ist bezeichnend,
wie hart sie schon aus
dem Rahmen des Ganzen
fallen, wie deutlich auch
der Produzent gemein-
gültiger Ware den Ana-
chronismus spürt, den er
durch Konzessionen an
den neuen Stil abzu-
schwächen bemüht ist. —
Auch der Rahmen der
örtlichen Bedingungen er-
scheint niemals verlassen.
Ja, ihre strenge Erfüllung
erregt geradezu schwer-
wiegende Bedenken. Es
ist kaum zu verkennen,
daß diese Wiener Kunst
in keinem weiteren
Sinne österreichisch ist.
Sie weiß sich von jedem

Provinzialismus ebenso AUS EINEM SAL0N dagobert peche-wien

frei wie von jedem nationalen Antagonismus. Das bescheidenen, sympathischen Versuch gemacht: ein
beschränkt ihre Bedeutung und macht einen dop- Schlaf- und Wohnzimmer aus russischem Erlen-
pelten Mangel fühlbar. Der Wettbewerb der übri- holz, zwei Kasten, zwei Betten, zwei Nachtkästchen,
gen wirtschaftlichen Zentren mit Wien, der in der ein Ladenkasten für 450 Kr., dazu Tisch, Bank und
Kleinkunst, namentlich infolge der staatlichen Sessel für 150 Kr. Hält man den wundervollen
Schulen anderer Kronländer, immerhin bemerkens- Empfangsraum mit seiner künstlerisch gedämpften,
werte Resultate zeitigt, liefert auf dem Gebiete des maßvollen Pracht dagegen, der im Geiste Josef Hoff-
interieurs keine nennenswerten Rivalitäten, und manns nach einem Entwurf Arnold Nechanskys vom
die nationale Reibung, die der Bewegung unserer Musterbetriebe für Tischler am k. k. Gewerbeförde-
Malerei jetzt wieder besonders zustatten kommen rungsamte ausgeführt wurde, so erscheint an diesem
will, bleibt hier aus, - Dieser Uebelstand wirkt in Gegensatz der Wunsch nach einer Ausbreitung sol-
die Frage nach der Befriedigung des sozialen Bedürf- eher ungewöhnlicher Leistungsfähigkeit auf dem Ge-
nisses hinüber. Die Wiener Raumkunst ist groß- biete allgemeiner Bedürfnisse noch dringender. Ge-
städtisch, aber sie ist auch das nur in der Be- «iß, Wien verfügt in dieser Musterschule des Ge-
schränkung auf innerstädtische Bezirke und jene werbeförderungsamtes, das unter ausgezeichneter,
Cottageviertel draußen an der ländlichen Peripherie, einsichtsvoller Leitung steht, und in seiner Kunst-
wo man über die Mittel verfügt, sich diesen Luxus gewerbeschule mit ihrem vortrefflichen Stab von
zu gestatten. Denn Luxus ist sie nun einmal ge- Lehrern über zwei Institute ersten Ranges. Die
blieben. Ganz durchsetzen kann sie sich nicht ein- fruchtbare Verbindung von Künstlern und Hand-
mal in jenen stattlichen Häusern der Innenstadt, wo werkern, die Durchdringung des Handwerks mit
der zahlkräftige Besteller immerhin doch Mieter künstlerischem Geiste, auf der aller Fortschritt des
bleibt, sondern eigentlich nur in jenen äußeren Kunstgewerbes zur Kultur zunächst beruht, ist hier
Villenkolonien, wo der Besitzer schon in der Ge- vollauf gewährleistet Aber der Aufgabenkreis
staltung des nackten Raumes an keine Beschränkung müßte doch entschiedener vom Luxus auf das soziale
gebunden ist Die Lösung weiterer sozialer Fragen, Bedürfnis gelenkt werden. Vor den Schöpfungen
wie sie gerade die Großstadt in Fülle anbietet, steht des Wiener Interieurs kann der schlichte Mann
noch in Anfängen. Auf der letzten Ausstellung nur fremdes Erstaunen, heillosen Respekt, niemals
österreichischer Kunstgewerbe hat Adolf Jiretz einen aber unmittelbares Verständnis und Lust zum Be-

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