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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0019

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18

1. Forschungsüberblick

riographischen Quellen eingesetzt.14 Nach seiner Pionierarbeit zur Erforschung
frühmittelalterlicher Historiographie fasste Helmut Beumann 1955 seinen Zu-
griff als „Ideengeschichte" zusammen.15 Er beschrieb Historiographie als zen-
tralen „Ort für die geistige Auseinandersetzung des Zeitgenossen mit der ihn
umgebenden Wirklichkeit und der Niederschlag jener immer wieder erneuerten
Bemühungen, den eigenen geschichtlichen Standort auf dem Hintergrund der
Vergangenheit zu bestimmen, die geschichtliche Tradition an die Gegenwart
heranzuführen und diese mit Hilfe jener zu deuten." Während in Urkunden
Rechtsgeschäfte ihren Niederschlag gefunden hätten, künde die Historiographie
von der „Selbstinterpretation des Zeitalters".16 Somit müsse beispielsweise die
Darstellung Karls des Großen durch Einhard nicht von ,,wirklichkeitsfremde[r]
Beimischung" befreit werden, um die geschichtliche Wirklichkeit des Kaisers zu
erfassen, da die Beimischungen selbst Teil der historischen Realität seien.17 Hans-
Werner Goetz entwickelte Beumanns Ansatz zu einer betont kulturgeschichtlich
ausgerichteten „Vorstellungsgeschichte" weiter.18 Hier sollen die Stellungnah-
men und Eindrücke eines betroffenen Zeitgenossen - des Chronisten - zu seiner
Umwelt im Zentrum stehen.19
Es folgten Arbeiten zur Praxis und Methode mittelalterlicher Historiogra-
phie, Arbeitsweisen und -bedingungen der Chronisten sowie zur Rezeption
einzelner Werke.20 Von besonderer Bedeutung für diese Untersuchung ist die
durch Joachim Ehlers erfolgte Untersuchung zu „gut" und „böse" als zentralen
Kategorien der Weltordnung durch (hoch-)mittelalterliche Geschichtsschrei-
ber.21 Gemeinsame Interessen dieser Zugriffe sind die Fragen, welche Geschichte

14 Eine wichtige Rolle nahm dabei Iohannes Spörl ein, siehe Spörl, Geschichtsdenken (1933), die in
der Festschrift Speculum historiale, hg. Bauer/Boehm/Müller (1965) zusammengestellten Bei-
träge und die Bündelung älterer Beiträge in Geschichtsdenken, hg. Lammers (1961).

15 Beumann, Historiographie (1955).

16 Ebd., S. 451.

17 Ebd., S. 453.

18 Goetz, Vorstellungsgeschichte (1979). Als eng verwandt mit diesen Forschungsrichtungen kann
die Mentalitätsgeschichte bezeichnet werden, die in ihrer Entstehungsgeschichte stark mit der
Schule der Annales verbunden ist. Philippe Aries muss mit seiner „Geschichte des Todes" zu den
herausragenden Vertretern dieser Strömung gezählt werden, siehe hierzu Kapitel 1.2. Stellver-
tretend für die Auseinandersetzung der deutschen Mediävistik mit dem mentalitätsgeschicht-
lichen Ansatz kann der Sammelband Mentalitäten, hg. Graus (1987) genannt werden. Siehe auch
Goetz, Mediävistik (1999), S. 276-287. Grundlegende Kritik wurde unter anderem von Sellin,
Mentalität (1985) und Borgolte, Selbstverständnis (1997) geäußert. Mit weiteren Titeln zur
Diskussion Mauntel, Gewalt (2014), S. 52-54.

19 Goetz, Vorstellungsgeschichte (1979), S. 260.

20 Siehe bspw. Melville, System (1975); ders., Geschichte (1982) sowie Schmale, Funktion (21993).

21 Ehlers, Gut und Böse (1977). Ohne explizit an Ehlers anzuknüpfen vertiefte Eva Schlotheuber
ähnliche Überlegungen mit einer stärkeren Konzentration auf „Personenkonzeptionen" bzw.
„Persönlichkeitsdarstellung", Schlotheuber, Persönlichkeitsdarstellung (2003), bes. S. 537-548
zu guten und schlechten Toden sowie dies., Mensch (2005). Die vorliegende Untersuchung will
diese Vorarbeiten zu ,guten' und schlechten' Darstellungsweisen von Personen in der mittel-
alterlichen Historiographie am Beispiel des Herrschertodes weiterführen und durch den Ver-
gleich mit anderen Quellengattungen erweitern.
 
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