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1. Forschungsüberblick
Hauptzeugnisse und vor allem vor dem Hintergrund der herrschaftstheo-
logischen Vorstellung jedes Einzel Werks zu verfolgen."38 Da es sich bei diesen
Hauptzeugnissen meist um historiographische Quellen handelte, ist Born-
scheuers Untersuchung, was Gegenstand und Quellengrundlage betrifft, ein
Vorläufer der vorliegenden Studie. Selbiges gilt für Paul Egon Hübingers 1973
erschienene Ausführungen zu den „Letzten Worten Papst Gregors VII.", die er in
verschiedenen historiographischen und hagiographischen Schilderungen auf
ihre literarischen Vorbilder und ihre Uberlieferungswege hin untersuchte.39
Nicht unerwähnt bleiben darf auch Peter von Moos' zu Beginn der 70er Jahre in
vier Bänden veröffentlichte Studie zur mittellateinischen Trostliteratur.40
Während die deutsche Forschung sich somit an kleinen Studien und ersten
großen Syntheseleistungen abarbeitete, wandten sich in den 1970er und 80er
Jahren verstärkt französische Historiker dem Thema „Sterben und Tod" zu. Der
später bekannteste von ihnen war Philippe Aries, der sich unter dem Eindruck
persönlicher Verluste der Erforschung des Todes widmete.41 Er war zunächst mit
Studien zu sozialen Traditionen und der Geschichte der Kindheit an die Öf-
fentlichkeit getreten, hatte aber mehr Erfolg in den Vereinigten Staaten von
Amerika als in Frankreich. 1973 wurde er an die Johns Hopkins Universität in
Baltimore eingeladen, wo er in vier Vorträgen seine Thesen über die Einstel-
lungen zum Tod und ihre Veränderungen erstmals bündelte.42 Diese Vorträge
wurden 1974 als erste Monographie Aries' zu diesem Thema veröffentlicht.43
1977 folgte das Hauptwerk „L'homme devant la mort", 1982 der Bildband
„Images de l'homme devant la mort".44
Aries' Hauptaugenmerk bei der gesamten Beschäftigung blieb stets die
Einstellung zum Tod. Er stützte sich dabei auf eine unsystematisch zusam-
mengestellte Sammlung verschiedenster Quellen, von Heldenliedern bis zu
Testamenten und Grabmälern, meist aus dem südfranzösischen Raum. Auf
dieser Grundlage entwarf er eine Verlaufsgeschichte vom , gezähmten Tod' im
Frühmittelalter, der allgegenwärtig und damit bekannt gewesen sei, einer In-
dividualisierungsphase ab dem 12. Jahrhundert (der,eigene Tod'), gefolgt von
38 Bornscheuer, Miseriae Regum (1968), S. 15.
39 Hübinger, Worte (1973). Hübinger nutzte zur Bezeichnung der Schilderungen bereits den Begriff
„Sterbeszene" (bspw. ebd., S. 56), siehe hierzu S. 31 Anm. 104. - Ebenfalls muss auf die ver-
gleichende Studie Krüger, Königsgrabkirchen (1971) sowie auf die tiefgreifende Analyse ex-
emplarischer Dichtungen durch Rolf, Tod (1974) hingewiesen werden.
40 Moos, Consolatio (1971/1972).
41 Aries beschreibt in seiner Autobiographie, dass er durch die Tode seines Bruders und seiner
Mutter zu dem Thema kam, Aries, Sonntagshistoriker (1998), S. 150-153. Siehe auch Hutton,
Philippe Aries (2004), S. 113.
42 Aries, Sonntagshistoriker (1998), S. 161.
43 Ders., Attitudes (1974). Vorangegangen war eine mehr als zehnjährige Beschäftigung mit dem
Thema, die sich bereits 1967 in dem Aufsatz ders., La mort inversee (1967) niedergeschlagen
hatte.
44 Ders., L'homme (1977); ders., Images (1982). - Überblicke zur französischen Forschung bieten:
Vovelle, Attitudes (1976); ders., Rediscovery (1980); Mitchel, Philippe Aries (1978); McManners,
Death (1981); Böse, Thema (1983).
1. Forschungsüberblick
Hauptzeugnisse und vor allem vor dem Hintergrund der herrschaftstheo-
logischen Vorstellung jedes Einzel Werks zu verfolgen."38 Da es sich bei diesen
Hauptzeugnissen meist um historiographische Quellen handelte, ist Born-
scheuers Untersuchung, was Gegenstand und Quellengrundlage betrifft, ein
Vorläufer der vorliegenden Studie. Selbiges gilt für Paul Egon Hübingers 1973
erschienene Ausführungen zu den „Letzten Worten Papst Gregors VII.", die er in
verschiedenen historiographischen und hagiographischen Schilderungen auf
ihre literarischen Vorbilder und ihre Uberlieferungswege hin untersuchte.39
Nicht unerwähnt bleiben darf auch Peter von Moos' zu Beginn der 70er Jahre in
vier Bänden veröffentlichte Studie zur mittellateinischen Trostliteratur.40
Während die deutsche Forschung sich somit an kleinen Studien und ersten
großen Syntheseleistungen abarbeitete, wandten sich in den 1970er und 80er
Jahren verstärkt französische Historiker dem Thema „Sterben und Tod" zu. Der
später bekannteste von ihnen war Philippe Aries, der sich unter dem Eindruck
persönlicher Verluste der Erforschung des Todes widmete.41 Er war zunächst mit
Studien zu sozialen Traditionen und der Geschichte der Kindheit an die Öf-
fentlichkeit getreten, hatte aber mehr Erfolg in den Vereinigten Staaten von
Amerika als in Frankreich. 1973 wurde er an die Johns Hopkins Universität in
Baltimore eingeladen, wo er in vier Vorträgen seine Thesen über die Einstel-
lungen zum Tod und ihre Veränderungen erstmals bündelte.42 Diese Vorträge
wurden 1974 als erste Monographie Aries' zu diesem Thema veröffentlicht.43
1977 folgte das Hauptwerk „L'homme devant la mort", 1982 der Bildband
„Images de l'homme devant la mort".44
Aries' Hauptaugenmerk bei der gesamten Beschäftigung blieb stets die
Einstellung zum Tod. Er stützte sich dabei auf eine unsystematisch zusam-
mengestellte Sammlung verschiedenster Quellen, von Heldenliedern bis zu
Testamenten und Grabmälern, meist aus dem südfranzösischen Raum. Auf
dieser Grundlage entwarf er eine Verlaufsgeschichte vom , gezähmten Tod' im
Frühmittelalter, der allgegenwärtig und damit bekannt gewesen sei, einer In-
dividualisierungsphase ab dem 12. Jahrhundert (der,eigene Tod'), gefolgt von
38 Bornscheuer, Miseriae Regum (1968), S. 15.
39 Hübinger, Worte (1973). Hübinger nutzte zur Bezeichnung der Schilderungen bereits den Begriff
„Sterbeszene" (bspw. ebd., S. 56), siehe hierzu S. 31 Anm. 104. - Ebenfalls muss auf die ver-
gleichende Studie Krüger, Königsgrabkirchen (1971) sowie auf die tiefgreifende Analyse ex-
emplarischer Dichtungen durch Rolf, Tod (1974) hingewiesen werden.
40 Moos, Consolatio (1971/1972).
41 Aries beschreibt in seiner Autobiographie, dass er durch die Tode seines Bruders und seiner
Mutter zu dem Thema kam, Aries, Sonntagshistoriker (1998), S. 150-153. Siehe auch Hutton,
Philippe Aries (2004), S. 113.
42 Aries, Sonntagshistoriker (1998), S. 161.
43 Ders., Attitudes (1974). Vorangegangen war eine mehr als zehnjährige Beschäftigung mit dem
Thema, die sich bereits 1967 in dem Aufsatz ders., La mort inversee (1967) niedergeschlagen
hatte.
44 Ders., L'homme (1977); ders., Images (1982). - Überblicke zur französischen Forschung bieten:
Vovelle, Attitudes (1976); ders., Rediscovery (1980); Mitchel, Philippe Aries (1978); McManners,
Death (1981); Böse, Thema (1983).