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Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0030

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2. Zugriff und Methode

29

Aufbauend auf diesen Beobachtungen muss nun hinterfragt werden, ob es sich
um ein umfassendes Phänomen handelt. Die Frage kann nur durch eine ver-
gleichende Untersuchung historiographischer Quellen über einen langen Zeit-
raum mit Abgleich zu anderen Quellengattungen erfolgen, da auf diese Weise
verhindert werden kann, dass von einem Einzelfall fälschlich verallgemeinert
wird. Daher werden in dieser Untersuchung die Tode von 19 Herrschern in der
historiographischen Überlieferung vergleichend betrachtet und diesen Zeug-
nissen weitere schriftliche Quellen sowie die Grablegen und Gebeine anbei ge-
stellt.
Dadurch wird das Vorgehen bestimmt: Zunächst werden exemplarisch
Quellen zu königlichen Toden des 6. bis 12. Jahrhunderts analysiert, um ver-
breitete narrative Strategien herauszuarbeiten und sich etwaigen Besonderheiten
des Untersuchungszeitraums anzunähern. Die Ergebnisse dieser Voruntersu-
chung bilden eine Anzeichenliste, die um Ergebnisse aus der Forschung ergänzt
wird. Die Anzeichen dienen als Indizien anhand derer im Hauptteil gefragt wird,
inwiefern die narrativen Strategien guter und schlechter Tode die historio-
graphischen Quellen zu den Toden der römisch-deutschen Könige von 1150 bis
1349 prägten. Die Ergebnisse werden dabei mit den Resultaten aus einer als
Anhang beigefügten Untersuchung der Beisetzungen, Grablegen und Gebeine
abgeglichen. Darüber hinaus wurden vier Aspekte zu Fallstudien ausgearbeitet,
die entweder durch die Einteilung der Kapitel Getrenntes exemplarisch vereint
präsentieren oder einen spezifischen Sachverhalt gesondert vertiefen.
Um dieses Anliegen verfolgen zu können, müssen zunächst die in der For-
schung meist seit den großen Herrscherbiographien des 19. Jahrhunderts ge-
läufigen Auffassungen der einzelnen Tode verworfen sowie die nötigen me-
thodischen Schlüsse aus dieser Abwendung gezogen werden: Die Grundlage
dieser Auffassungen waren diverse historiographische Schilderungen, denen
einzelne Details entnommen, während andere Details verworfen wurden. Ver-
satzstücke verschiedener Schilderungen wurden daraufhin neu arrangiert und
boten schließlich eine Kollage, die aufgrund der Geschlossenheit der Gesamt-
aussage Glaubwürdigkeit suggerierte. Die Details stammten jedoch aus den
unterschiedlichsten Kontexten und Jahrhunderten. Den Ansprüchen einer kriti-
schen Geschichtswissenschaft kann dies nicht genügen. In Abgrenzung von
dieser Praxis wird den einzelnen Quellen und ihrem Wortlaut in dieser Unter-
suchung viel Platz geboten, um nachzuprüfen, welche Deutung der spezifische
Autor vertrat, welche Topoi genutzt und welche Wertung getroffen wurde. Die
Summe und Bandbreite dieser Verortungen werden abschließend betrachtet.
Die zentrale Stellung historiographischer Quellen und der aufgrund der
Forschungsgeschichte gewählte Zugriff schließen dabei einen anderen, nahe-
liegenden Zugriff aus: Die retrospektive Diagnose, die „Identifikation einer
historischen Krankheit mit einem modernen Krankheitsnamen"96 und somit in

96 Leven, Krankheiten, S. 153. Ebd., S. 180 mit ablehnendem Urteil. In der Medizingeschichte
werden retrospektive Diagnosen sehr kritisch gesehen, siehe exemplarisch das Lehrbuch Eckart/
Jütte, Medizingeschichte, S. 366 f.
 
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