Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0238

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6.12. Fallstudie III / Friedrich der Schöne

237

der Zoologe Anthonie Cornelis Oudemans seine Studie, in der er wiederum zum
Ergebnis kam, dass es eine solche Krankheit gegeben habe.1375 Seither werden die
Krankheit und die Belege von Ärzten, Literaturwissenschaftlern und Historikern
gleichermaßen immer wieder aufgegriffen.1376 Ein endgültiges Ergebnis kann
wohl nicht erreicht werden. 2015 kamen die Althistorikerin Alexandra Eckert
und der Dermatologe Friedrich Bahmer in einer gemeinsamen Studie zu fol-
genden Ergebnis: „Die antike Läusekrankheit wird wohl weiterhin umstritten
sein, da es keine Beweise für deren Existenz gibt. Aufgrund der im Verlauf der
Jahrhunderte angesammelten Berichte und Hinweise, der Fallbeschreibungen
und der entomologischen Befunde sind wir jedoch recht sicher, dass diese [...]
schreckliche Läusekrankheit existiert hat."1377 Auch ohne medizinische Nach-
weise schwankt die Würmer- oder Läusekrankheit somit zwischen Topos und
Ferndiagnose.
Bereits in den Ursprüngen war die Vorstellung sowohl als literarisches Motiv
als auch als medizinische Diagnose bekannt. Von einer medizinischen Rezeption
im Mittelalter ist bislang nichts bekannt, eine solche kann allerdings nicht aus-
geschlossen werden. Vielmehr kann vermutet werden, dass diese beiden Be-
zugslinien den Schilderungen von (Königs-)Toden, die das Motiv aufwiesen,
zumindest wohl bei gebildeten Lesern mehr Glaubwürdigkeit verliehen. Die
Weiterführung des Motivs in der Frühen Neuzeit und die andauernde Diskus-
sion über die Echtheit der Krankheit zeigt darüber hinaus einen Weg auf, den das
komplexe Wertesystem von guten und schlechten Toden über das Mittelalter
hinaus nehmen konnte: In Verkennung der Darstellungsabsicht wurden die
Schilderungen von Toden als göttliche Strafe medizinisch gedeutet und fanden
Eingang in eine Fachdiskussion. Ähnliche Entwicklungen könnten für viele der
mittelalterlichen Anzeichen guter und schlechter Tode aufgezeigt werden, die
fest in der Antike verankert sind und in die Frühe Neuzeit weitergetragen
wurden.
Aus dem Blickwinkel dieser Untersuchung muss festgehalten werden, dass
der Tod durch Würmer oder Läuse in der mittelalterlichen Historiographie als
Topos für einen schlechten Tod Verwendung fand. Die Fallstudie hat gezeigt,
dass es hierfür nicht einen, sondern zwei Bezugspunkte in der Antike gab und
die Rezeption nicht eindeutig, sondern mit mehrfachen Ungenauigkeiten verlief:
Die unsichere Position zwischen medizinischem und literarischem Thema sowie
die mangelnde begriffliche Unterscheidung zwischen Würmern und Läusen.
Deutlich wurde ebenso die Verwendung der Motive durch die mittelalterlichen
Chronisten, um eine Vergangenheit zu konstruieren, die ihre Auffassung wi-
derspiegelt. Die Traditionslinien in all ihren Ausprägungen dürften dabei den
wenigsten Autoren bewusst gewesen sein. Aus den Ursprüngen im Altertum
entwickelten sich Topoi wie der göttliche Straftod durch Läuse oder Würmer zu

1375 Oudemans, Phthiriasis.

1376 Siehe die S. 219 Anm. 1274 zitierte Literatur.

1377 Bahmer/Eckert, Phthiriasis, S. 148.
 
Annotationen