Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0278

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7.1.1. Philipp II.

277

heren Phase als Gefolgsmann an sich zu binden. Unter den neuen Umständen
konnte Philipp seine Töchter nun gewinnbringender verheiraten. Dem Pfalz-
grafen nahm er damit jedoch die versprochene Möglichkeit des Aufstiegs durch
Heirat mit einer Königstochter.
Otto von Wittelsbach steht im moralischen Fokus der Schilderungen, über
ihn wurde deutlich öfter ein Urteil gesprochen als über den Verstorbenen.
Philipp II. wurde nahezu ausschließlich positiv konnotiert, allerdings nur ne-
benbei und in Abgrenzung zu dem Pfalz grafen.1602 Diese Konzentration muss
zunächst erstaunen. Philipp II. erlitt einen sehr plötzlichen Tod. Die Überliefe-
rung macht es schwer, Gewissheit zu erlangen, allerdings scheint es, als sei der
Grund für den Mord ein gebrochenes Versprechen an einem Getreuen gewesen.
Dies sind Punkte, welche die zeitgenössischen Schreiber gegen den König hätten
vorbringen und ihm daher einen schlechten Tod zuschreiben können.1603 Statt-
dessen konzentrierten sie sich auf den Mörder.
Der Grund hierfür muss im Mord gesehen werden. Aufgrund der Heimtücke
und Schändlichkeit, die einer solchen Tat aufgrund des christlichen Mordverbots
zukam, musste dies die Aufmerksamkeit auf den Mörder lenken, besonders
wenn das Opfer ein göttlich legitimierter Herrscher war. Die Verdammung des
Königsmörders überschattet in der Überlieferung zum Tod Philipps II. die
Ausdeutung im Sinne eines guten oder schlechten Todes. Nicht das Opfer,
sondern der Mörder wurde moralisch ausgedeutet. Ein Blick auf Überlieferun-
gen zu anderen Toden, die auch durch Gewalteinwirkung verursacht wurden,
zeigt, dass sich diese Verschiebung sehr oft beobachten lässt.1604 Es handelt sich
somit um eine Eigenschaft des Todes durch Gewalteinwirkung in der histo-
riographischen Überlieferung, dass sich die moralische Ausdeutung meist auf
den Gewaltausübenden, und nicht auf den Verstorbenen, bezieht.
Es gibt eine Reihe von Details, die in den Schilderungen in verschiedenen
Formen betont werden. Dies sind keine Ansatzpunkte für eine Rekonstruktion
des Tathergangs, sondern Anzeichen, dass es sich hierbei um Fragen der Zeit-
genossen handelte, die das Ereignis aufwarf. Eine dieser Fragen ist die nach dem
Zugang des Mörders zum König, insbesondere mit der Mordwaffe. In ver-
schiedenen Varianten berichten die Quellen, wie Otto von Wittelsbach die Wa-
chen an der Tür überwunden und sein Schwert entweder versteckt oder erst in
der Kammer an sich genommen habe. Darin zeigt sich das Unverständnis dar-
über, wie ein Bewaffneter so nahe an den König herankommen konnte, um ihn
zu erschlagen. Das Überwinden der Bewachung wird bei Toden durch Gewalt-
einwirkung in den historiographischen Schilderungen oftmals mit besonderer
Aufmerksamkeit geschildert.

1602 Die einzige Ausnahme bildet die Passage in der Chronik Burchards von Ursberg, die beide
verdammt. Allerdings ist diese nicht über den Verdacht einer späteren Interpolation erhaben,
siehe S. 267 Anm. 1546, S. 267 Anm. 1547 und S. 268 Anm. 1548.

1603 Siehe Kapitel 4.3.2., Abschnitt „Plötzlichkeit" und Kapitel 4.3.3., Abschnitt „Sterbebrauchtum".

1604 Neben dem Mord an Albrecht I. und den Toden der Könige Wilhelm und Adolf trifft dies auch zu
Heinrich (VII.), Konrad IV, Heinrich VII. und Günther von Schwarzburg zu, siehe die ent-
sprechenden Kapitel.
 
Annotationen