Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kamenzin, Manuel; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0312

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7.1.3. Die Morde im Vergleich

311

1213 hatte er sich selbst auf das Königtum seines Onkels und aller in Speyer
bestatteter Könige bezogen und sich damit in diese Tradition eingereiht. Die
historiographische Überlieferung zum Mord an Philipp II. zeigt somit zwei si-
gnifikante Eigenheiten: (1.) Die Verschiebung des moralischen Fokus' erfolgte in
diesem Fall nahezu vollständig auf den Mörder, über Philipp II. gibt es (fast)
keine negativen Urteile. Diese Beobachtung lässt sich durch den weiteren Verlauf
des Thronstreits und die staufische Instrumentalisierung erklären. (2.) Die
Schilderungen erlauben somit sicherere Aussagen über die Wahrnehmung die-
ses Verlaufs als über das Ereignis.
Die Ausgangsposition bei Albrecht I. war hingegen gänzlich anders: Im
Gegensatz zu Philipp II. hatte der Habsburger zum Zeitpunkt seines Todes zehn
Jahre in vollem Umfang Herrschaft ausgeübt. Wie viele hoch- und spätmittel-
alterliche Könige war er darum bemüht, die Besitzungen seiner Familie zu ver-
größern, was jedoch von seinen Zeitgenossen äußerst kritisch beurteilt wurde.
Seit der Schlacht bei Göllheim stand er auch selbst im Ruf, seinen Vorgänger
König Adolf ermordet zu haben. Direkt nach dem Mord wurde eine Deutung
dieser Ereignisse durch die Umbettungen von 1309 groß inszeniert: Auf einem
Hoftag des neuerwählten Luxemburgers Heinrich VII. wurden sowohl König
Adolf als auch Albrecht I. in Speyer beigesetzt und damit ihr Königtum glei-
chermaßen bestätigt. Im Mittelpunkt stand jedoch Heinrich VII., der diese Ge-
legenheit nutzte, um die Spannungen unter den Fürsten zu seinen Gunsten
auszugleichen.1824 Heinrich VII. starb jedoch selbst wenige Jahre später und das
Reich geriet zum zweiten Mal aufgrund einer Doppelwahl in handfeste innere
Streitigkeiten. Da diese zwischen Ludwig IV, einem Wittelsbacher, und Fried-
rich dem Schönen, einem Habsburger, ausgetragen wurden, beeinflusste die
Lagerbildung die in dieser Phase vorgenommenen Einordnungen des ermor-
deten Albrechts, schließlich war einer der Kontrahenten sein Sohn. Dass in dieser
Situation auch negative Ausdeutungen Albrechts entstanden, versteht sich von
selbst.
Es bleibt die Frage, warum Johann als Haupttäter beim Mord an seinem
Onkel von den Zeitgenossen milder beurteilt wurde als seine Mittäter. Auch
wenn dies nicht vollständig zu klären sein wird, soll ein Versuch erfolgen. Im
Gegensatz zu Otto von Wittelsbach verschwand Johann nach dem Mord recht
gründlich aus den Quellen. Spätere, seltene Erwähnungen gaben an, er sei nach
Italien geflohen, was dies erklären würde. Otto von Wittelsbach wurde jedoch
rasch nach dem Mord gerichtet. Zeitgenössische Gedichte künden vom Mar-
schall, der den Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt habe. Johann jedoch
scheint es gelungen zu sein zu entkommen, sowohl der direkten Verfolgung als
auch einer späteren vollkommenen Aburteilung durch die Chronisten. Diese
konzentrierten sich in diesem Fall auf die Schicksale der Mittäter. Die Ergebnisse
zu Albrecht I. lassen sich damit wie folgt festhalten: (1.) Auch in dieser Über-
lieferung zeigt sich die Tendenz, den Täter negativ und das Opfer positiv zu
schildern. Aufgrund der weiteren Geschichte des Reichs, vor allem der Doppel-

1824 Siehe hierzu Kapitel A 1.2.3.
 
Annotationen