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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]; Universität Heidelberg [Mitarb.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0355

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7. Tod durch Gewalteinwirkung

führen musste. Dies kann durch den zeitlichen Rahmen erklärt werden, denn
Albrecht hatte Zeit seiner Herrschaft mit dem Vorwurf zu kämpfen, in den
Schlachtentod König Adolfs verwickelt gewesen zu sein. Wie die Untersuchung
des Schlachtentodes offenlegt, dominiert dieser Vorwurf die Überlieferung zum
Tod König Adolfs, trotz Albrechts sehr frühem Versuch, dies zu verhindern.
Darüber hinaus wurde Albrechts Tod von den Chronisten geschildert, als sein
Sohn Friedrich gegen den Wittelsbacher Ludwig um die Königskrone kämpfte.
Dass den Wittelsbachern zugeneigte Schreiber Albrecht in dieser Situation einen
verdienten schlechten Tod zuschrieben, verwundert nicht.
Der Tod König Wilhelms weist in seiner äußerst lokalen Überlieferung eine
Eigenheit in besonderer Ausprägung auf: Für den Tod wurden nicht nur die
Friesen oder der König selbst verantwortlich gemacht, sondern auch die Männer
des Königs, die ihn beschützt sollten. Dass der Vorwurf in diesem Fall auch den
Kriegern des Königs gemacht wurde, lenkt den Blick auf ein anderes Detail, das
bei allen gewaltsamen Toden zu finden ist: Es wird eine Erklärung geboten, wie
die Wachen des Königs überwunden worden seien. Bei Philipp II. sind es die
verschiedenen Ausgestaltungen der Szene an der Tür des Gemachs, zu dem sich
Otto von Wittelsbach erst Zutritt verschaffen musste, bei König Wilhelm sind es
die Friesen, die den König weggelockt hätten oder dessen eigener Leichtsinn, der
ihn sein Heer verlassen ließ, wie auch bei König Adolf und bei Albrecht I.
schließlich die Variationen um die Flussüberfahrt, bei der der König von seinen
Wachen getrennt worden sein soll. Hierin manifestierten sich deutlich die Fragen
der Zeitgenossen nach Erklärung, wie der König habe ermordet werden können.
Ein weiteres Detail, das in allen Überlieferungen sehr präsent ist, ist der
Schlag zum Kopf oder Brustbereich des Opfers. Selbst in der Überlieferung zum
Tod Adolfs gibt es Schilderungen, die betonen, Albrecht I. habe ihm eine Wunde
am Kopf zugefügt, die den Kampf entschieden, den König aber nicht getötet
habe. Durch den ohne Anzeichen einer Wunde erhaltenen Schädel Philipps II.
werden diese Zuschreibungen in Frage gestellt. Es ist durchaus denkbar, dass ein
Schlag zum Kopf schlicht die eindrucksvollste Möglichkeit bot, einen gewalt-
samen Tod zu beschreiben.
Die hier untersuchten Tode durch Gewalteinwirkung zeigen somit eine
starke Tendenz zur Verschiebung des moralischen Fokus' auf den Täter oder
Andere. Dabei kann sich die Ausdeutung so stark vom Verstorbenen entfernen,
dass er selbst nicht mehr beurteilt wird, beziehungsweise im Kontrast zum
verdammten Anderen positiv erscheint. Alle Schilderungen geben eine Erklä-
rung, wie die Wachen des Königs überwunden worden seien, was von einem
großen Interesse an diesem Detail zeugt. Die geschilderten Schläge zum Kopf
wecken Zweifel, die durch den Abgleich mit einem erhaltenen Schädel noch
vergrößert werden und somit im Verdacht stehen, topische Elemente darzu-
stellen. Abschließend muss festgehalten werden, dass die Fokusverschiebung in
der Historiographie zwar nur Zuschreibung gewesen sein mag, aber auch in der
Realität Auswirkungen zeigte: Aus allen vier gewaltsamen Toden erwuchsen
Vorwürfe, die durchaus reale und zum Teil auch handfeste Konsequenzen hat-
ten.
 
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