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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0395

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9. Chronologischer Durchgang

im aufgeheizten Klima vor dem Konzil von Lyon bewusst war, zeigt sich in den
Briefen, die zum Tod seines Sohns entstanden: Friedrich versuchte, Deutungs-
hoheit über den Tod zu gewinnen. In der Rezeption gingen sowohl die explizit
von einem natürlichen Tod schreibenden Chronisten als auch die Deutungs-
versuche des Kaisers unter. Der Selbstmord Heinrichs (VII.) wurde in Texten und
Miniaturen wiedergegeben und zeigt dabei stets die Verschiebung des morali-
schen Fokus' die bei Toden durch Fremdeinwirkung oftmals auftritt - als
Schuldiger galt in diesem Fall Friedrich II. Erst im 14. Jahrhundert wurde der
Selbstmord auf den Verstorbenen selbst ausgedeutet. Die auf Grundlage einer
Gebeinsuntersuchung getroffene Lepra-Diagnose muss abgelehnt werden. Die
Zuordnung der Gebeine ist äußerst zweifelhaft und eine solche Erkrankung
befindet sich im Widerspruch zu allen zeitgenössischen Quellen.
Wie bereits Otto IV. kam Heinrich Raspe das Schicksal eines gegen die
Staufer gescheiterten Herrschers zu: Sein Tod wurde lediglich in einer äußerst
lokalen Überlieferung zur Kenntnis genommen. Dass diese Quellen ihm oftmals
tödliche Durchfallerkrankungen zuschrieben, ermöglicht keine medizinische
Diagnose, sondern zeigt auf, dass die Chronisten ihn äußerst negativ sahen. Die
narrative Strategie von der schändlichen Erkrankung, ob als Dysenterie, fluxus
ventris oder hier auch einmalig als Hämorrhoiden bezeichnet, findet sich in
keiner anderen Überlieferung in diesem Ausmaß. Dieses äußerst schlechte Bild
gerade in seiner Heimat kann zum einen mit seinem gescheiterten Königtum
erklärt werden, das in einer militärischen Niederlage resultierte. Zum anderen
muss dieses Urteil aber auch mit den aufkommenden Heiligenlegenden um seine
Schwägerin Elisabeth von Thüringen in Zusammenhang gebracht werden. In
diesen wurde Heinrich Raspe in einem äußerst schlechten Licht gezeichnet,
wodurch die Zuschreibungen eines schlechten Todes als Widersacher einer Lo-
kalheiligen verständlich werden.
Keiner der hier behandelten Herrschertode wurde im Vorfeld so sehr mit
Erwartungen auf geladen wie der Tod Friedrichs II. Dem strittigen Kaiser wurden
in einer sehr umfangreichen Überlieferung viele verschiedene Tode zuge-
schrieben. Südlich der Alpen entstanden viele Varianten zu einer vermeintlichen
Durchfallerkrankung oder der Giftmord durch seinen Sohn Manfred nach
Martin von Troppau wurde kolportiert. Nördlich der Alpen wurde der Tod des
Kaisers zunächst fast nur notiert. Spätere Schilderungen zeigten dann bereits
erste Spuren einer Entrückung des Staufers. Wie bereits beim Tod seines Vaters
Heinrich VI. sind somit auch in der Überlieferung zum Tod Friedrichs II. regio-
nale Unterschiede zwischen den Chronisten nördlich und südlich der Alpen zu
beobachten. Ob einer, und wenn ja welcher, der beschriebenen Tode dem Ge-
schehenen entspricht, ist äußerst fraglich. Auch umfangreiche Gebeinsunter-
suchungen brachten hier bislang keine eindeutige Antwort. Festgehalten werden
kann hingegen, dass Friedrich II. in dieser Untersuchung die meisten unter-
schiedlichen Todesformen attestiert wurden. Die Zuschreibungen zeigen in ihrer
großen Anzahl und ihren Unterschieden nachdrücklich auf, wie stark Fried-
rich II. seine Zeitgenossen polarisierte. Ein deutliches Anzeichen hierfür ist die
Einbindung in größere Kontexte, die sich in Prophezeiungen manifestierte und
 
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