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Münchner kunsttechnische Blätter — 2.1905-1906

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Nr. 20
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Berger, Ernst: Johannes Schilling, Künstlerische Sehstudien
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Liebreich, Richard: Einfluss von Sehstörungen auf die Malerei [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36596#0081

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München, 25. Jnni 1906.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E.A. Seemann, Leipzig).
Erscheint 14tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

H.Jahrg. Nr. 20.

Inhalt: Johannes SchiHing, Künstierische Sehstudien. — Einfluss von Sehstörungen auf die Malerei. Von Prof. Dr. R. Lieb-
reich in Paris (Schluss). — Ueber die Veränderung der Oelfarben in Tuben. Von Georg Büchner. — Literatur.

Johannes Schilling,
Künstlerische Sehstudien.*)
Unter diesem Titel hat niemand geringerer
als Altmeister Schilling, der geschätzte Bild-
hauer, dem wir die vier Gruppen der „Tages-
zeiten" an der Brühl'schen Terrasse zu Dresden,
das die deutschen Siege verherrlichende Nieder-
walddenkmal am Rhein und vieles andere ver-
danken, eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht,
die sich mit der Kunst des Sehens und dem
Vermögen des Künstlers befassen, die Eindrücke
auf der Netzhaut in künstlerische Werte umzu-
gestalten. Wenn ein Künstler wie Schilling sich
die Mühe gibt, über Dinge sich auszusprechen,
die ihn Zeit seines Lebens beschäftigten, mit
denen er gross geworden ist, dann ist es wohl
wert, ihm zuzuhören, und wenn er auch kaum
die Absicht hatte, neue Probleme zu lösen oder
das Geheimnis der physiologischen Entstehung
der Gesichtseindrücke aufzuhellen, so ist es
dennoch von grossem Interesse, zu sehen, wie
er sich zu diesen Problemen stellt. Nicht nur
der Inhalt allein, sondern ebensosehr die Art
der Darstellung macht hier den Wert aus. Die
„Sehstudien" reihen sich den Aeusserungen an-
derer tüchtiger Künstler an, die wir schon be-
sitzen, wie Klingers „Malerei und Zeichnung",
Hildebrands „Problem der Form" u. a.
Was Schillings Absicht bei Abfassung seiner
„Sehstudien" war, ist im Vorwort deutlich aus-
gesprochen: „Er wollte den eminenten EinHuss,
welchen das Sehen auf die Ausgestaltung unserer
Vorstellungswelt, auf all' unser Fühlen, Denken
und Handeln ausübt", kennzeichnen und „fühlte
den Drang, sich klar darüber zu werden, welche
verschiedenen Formen das Sehen annehmen kann,

*) Mit einem Vorwort von Dr. Erwin Papperitz. Verlag
von R. Voigtländer; Leipzig 1906.

und wie diese Formen sowohl in der Betrachtung
der Natur, wie in den verschiedenen Arten ihrer
Wiedergabe durch die Kunst und die Photographie
zu Geltung kommen. Er suchte ferner zu er-
gründen, welchen Einfluss die rein künstlerischen
Verfahren der Darstellung des Erschauten in der
Malerei und Plastik einerseits, die technische
Reproduktion unserer Gesichtseindrücke durch
die Photographie anderseits ausgeübt haben. Er
fühlte sich durch eine gewissenhafte Auffassung
seines Künstlerberufes gleichsam gezwungen, sich
Klarheit darüber zu verschaffen, welche grosse
Bedeutung die fortwährend technisch vervoll-
kommnete und über die ganze Erde verbreitete
Photographie, für die Entwicklung der Kunst des
Sehens, für den Zeitgeschmack, für die ganze
Art und Weise, wie sie das Leben beobachten
und Kunstwerke beurteilen, erlangt hat".
Deshalb geht Schilling von der Photographie
als Grundlage des optischen Sehens aus, um
daraus alle Schlussfolgerungen für das wahre
Erkennen der Form zu ziehen und die Unter-
schiede festzustellen zwischen dem künstlerischen
Sehen und der mechanisch-objektiven Aufnahme
der Camera. Dass diejenigen Abschnitte die
interessantesten sind, wo der Autor über künst-
lerische Dinge und insbesondere über Bildhauerei
handelt, braucht nicht hervorgehoben zu werden.
Sie sind uns als die Höhenpunkte des Werkes
erschienen. E. B.
Einfluss von Sehstörungen
auf die Malerei.
Von Prof. Dr. R. Liebreich in Paris.
(Schluss.)
So wird, um zu unserm Ausgangspunkt zurück-
zukehren, in dem Falle eines Künstlers, der wegen
gelber werdender Linse anfängt, blauer zu malen,
 
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