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Northcote, James Spencer; Brownlow, William R.; De Rossi, Giovanni Battista [Hrsg.]; Kraus, Franz Xaver [Bearb.]
Roma sotterranea: die römischen Katakomben ; eine Darstellung der neuesten Forschungen, mit Zugrundelegung des Werkes von J. Spencer Northcote u. W. R. Brownlow — Freiburg i.Br., 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12556#0233

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200

Viertes Buch.

uns unvergleichlich tiefer und zuverlässiger in den Sinn der be-
treffenden Barstellung ein, als ein ganzer Band voll Hypothesen,
mögen dieselben noch so geistreich und von modernen Auslegern
noch so glänzend unterstützt sein. Die Gewissheit einer gegebenen
Erklärung wächst natürlich in dem Maasse, wie sich die Zahl und
Klarheit der beigebrachten Texte, sowie das Gewicht der ange-
führten Schriftsteller mehrt. So würde z. B. eine anscheinende
Uebereinstimmung zwischen dem Texte eines wenig bekannten
Schriftstellers des. neunten und Gemälden des zweiten oder dritten
christlichen Jahrhunderts nicht hinreichen, um uns mit Sicherheit
aus ersterer auf den Sinn des letztern schliessen zu lassen; die
Uebereinstimmung könnte möglicherweise rein zufällig sein. Ganz
anders verhält sich die Sache, wenn man Zeugnisse von Zeitge-
nossen des Künstlers oder Solchen beibringen kann, welche vor
ihnen lebten und dazu beigetragen haben, jenen Gedankenkreis,
in welchem der Maler sich bewegte, zu bilden; lässt sich auf diese
Weise darthun , dass gewisse Ideen, Anschauungen und der Aus-
druck derselben zu jener Zeit unter den Christen vorhanden und
gewissermaassen das geistige Eigenthum aller Gläubigen geworden
waren, so besitzen wir darin selbstverständlich den besten Führer
Beispiel bei Erklärung gleichzeitiger Kunstschöpfungen. Wenn, um ein Bei-
der fai- Spje| faischer Auslegung anzuführen, ein anglicanischer Polemiker

;hen Aus- °

legung si°h auf Bilder, wo die Taube aus einem Glase oder Kelch trinkt, als
auf einen dem höchsten Alterthum entlehnten Beweis gegen die
,Entziehung des Laienkelches' bei der Communion beruft, so fühlt
jeder besonnene und gewissenhafte Leser, dass hiemit den Monu-
menten , die man erklären zu wollen vorgibt, Gewalt angethan
wird. Der betreffende Theologe macht sich eines schreienden
Anachronismus schuldig, indem er dem Alterthum eine Contro-
verse aufbürdet, von welcher letzterem nichts träumte. Wenn
dagegen ein Gelehrter bei Erklärung der zahlreichen Bilder des
guten Hirten selbst gewisse anscheinend unbedeutende Details in
der Ausführung andeutet und z. B. in dem häufig unter den
Schafen vorkommenden Bock eine Anspielung auf die unermess-
liche Gnade Christi, der auch die Sünder wieder aufnimmt, er-
blickt, so wird diese Deutung durch die bekannten Aeusserungen
Tertullians und das Zeugniss der Geschichte, nach welchem gerade
über diesen Punkt in den ersten Zeiten des Christenthums viel
gestritten wurde, sehr gestützt.

Die Bedeutung der verschiedenen, bei der Decoratipn der
Gräber und Krypten der römischen Katakomben verwendeten
Symbole ist also nicht auf Grund vager Vermuthungen und nach
den Eingebungen des ästhetischen Gefühles, sondern nach be-
stimmten Regeln und Gesetzen zu erklären; die verschiedenen
 
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