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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0019

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2 DASCHAOS.
seyn. Da erdichteten sic sich einen ungestaltten und unordentlichen Klumpen, in
welchen die ersten Ursachen aller Dinge beysamme und unter einander verwickelt
gewesen seyn, und welche lieh dann nach und nach aus einander gedrungen, und
der ganzen Welt ihre Gestalt in ihren unterschiedenen Theilen gegeben haben sol-
ten. Alleine was sie uns nun von dem Chaos und der Welt Ansang so hererzeh-
len, kan uns davon gar keinen deutlichen Begriff geben, und dienet sonft zu nichts,
als dass wir daraus abnehmen können , wie unordentlich es in dieser Dichter ihren
Verstande ausgesehen und wie sehr sie mit ihren Treumen die historie der Schöp-
fung verunzieret. Inzwischen läst doch ein gewisses Licht in unsere Augen einige
Strahlen durch die Fabeln hindurch fallen , unter welche diese Menschen die
Wahrheit verstecket haben. Man stelle nur eine Vergleichung an zwischen den
ersteren Worten des ersten Buches Ädoßs und dem , was die Heydnische Poeten
von dem Chaos, von der Erschaffung und deren Folgerungen schwatzen, so wird
man ohne Muhe entdecken, wie diese lezteren einige Uberbleibsel2 einer unvoll-
kommen mundlich fortgeerbten Nachricht von der Schöpfung , welche dennoch
alle Hochachtung verdienet, mit den Hirngeburthen, einer verwirrten Ein-
bildungs-Krafrt vermenget haben.
Die Schwierigkeiten, welche sich bey Entwerfung dieses ersten Kupferbildes
vorthun, haben den Erfinder doch nicht davon absehrecken können. Er hat sich
nicht allzusehr an die Vorschrifften einer reinen Philosophie gebunden , sondern
mehr das gesucht, was den Augen gefallen und die Einbildungs Krafft ergötzen
kan, daher er seine eigene bestmoglichst angespant und sich der allerartigften Er-
findungen der Poeten zu seinen Vorhaben sehr geschickt zu bedienen gewust. Er
lall
ANMERKUNGEN.

„ wird, oder die Erde muss vor Entsetzen beben , welcher kei-
„ ne Scheu tragt das Haupt der Gorgona anzuschauen ; welcher
„ die Erynnis mit ihrer eignen Ruthe züchtiget, und welcher so
„ in der Holle Meifter fpielet» dafs er auch nicht nach Art der
5, übrigen Gotter Bedenken trägt, die bey dem Styx gethane Eyd-
,, schwüre zu brechen ?
Die Ewigkeit wird ihm Zur Gefellschasst gegeben. Diese solte
in einer fehr tiesen Hohle liegen , welcher fich die Gotter fo we-
nig als die Menfchen nähern durssten. Claudianus macht hievon
eine prächtige Beschreibung (a). „ Nicht weit davon, fchreibt
„ er, ift eine unbekante Kluflt, zu welcher kein fterblicher
„ nicht einmahl mit den Gedanken sich nahern darff. Kaumdafs
3, die Gotter hinzu treten durften. Man nennet fie: die Hohle
3> der Ewigkeit. Sie wird von der mit Staub bedekten Mutter
„ der Jahre bewohnet. Aus diefer ihren unendlichen Schoofe
„ fteigen die Zeiten hervor und gehen auch dahin wieder zurück.
„ Da ift nichts , was fie nicht fehe zu feinem Ende gelangen.
Sie hat die Gestalt einer Schlange, deren fchuppichter Balg im-
„ mer feinen alten Glantz behält, und welche fich auf fich felbft
„ immer herum krümmet und endlich ihren Schwanz in den Ra-
„ chen fchlinget, dafs fie alfo dafelbft wieder endiget, wo fiean-
„ gefangen. Die Natur , welche ihres hohen Alters ungeachtet
„ immer fchon bleibet , fitzet vor der Thür diefer Hohle , um
„ den Eingang zu bewahren. Die Seelen, welche um sie herum
ssaddern , hängen fich an alle Glieder ihres Leibes an. Ein
ehrwürdiger Greifs fchreibet dafelbft die unveränderlichen
Schlüsse an, nach welchen die Bewegung der Luft und die
„ Veränderung der Geftirne fich richten muffen, ja welche auch
„ einem iedem Dinge feine Zeit und Dauer beftimmen.
z. Überbleibsel.] Solches wird man viel deutlicher befin-
den , wenn man beobachtet, dafs Hefiodus der Dichter der fabel-
haften Abhandlung von der Schöpfung den Sanchoniathon ausge-
fchrieben hat. Diefer Phenicifche Scribent, welcher mit Gideon
Zu einer Zeit soll gelebet haben, hat ein Werkgefchrieben, wor-
inne fo wohl die alte Philofophie , als auch die Phenicifche Hif-
torie enthalten war. Philo von Biblos überfezte folches ins Grie-
chifche , von welcher Uberfetzung noch einige Stücken in des
Porphyrie Buche von der Enthaltung vom Fleifcheffen , des-
gleichen in des Eufebius feiner Praparatione Evangel. Zu sinden.
Sanchoniathon erzehlet , dafs er einen Opfer-Priefter des Gottes
/*ooder Jehova , mit Nahmen Jerombal um Rath gefraget,
weichen Bochart vor den Jerubbaal oder Gideon hält. Wiewohl
(o) L. i. in Laud.

nun die Schrisst dieses Pheniciers wenig Gleichheit mit einer fbi-
chen reinen Qyelle hat, so ift dennoch zu erfehen, dafs er einiges
Licht von den Juden bekommen. Die heilige Schrisft saget uns,
dafs Finfternifs die Tiefte bedecket habe: Sanchoniathon bedienet
sich faft einer gleichen Ausdrückung: Im Anfange, sagt er,
wurden alle Dinge von Nacht und Finfternifs bedecket. Initio
suit acris tenebroß spiritus.... caligo vefpertina. Ausfordern ift
anzumerken , daß die Griechen nach ihrer Gewohnheit, alle
Dinge in Perfonen zu verwandeln > nachdem fie in der historie
des Sanchoniathon das Wort Ereb gefunden, welches die Dunkel-
heit der Nacht bedeutet, so gleich auch eine Perfon daraus ge-
macht und folche vor die Mutter der Nacht ausgegeben. Diefe
Anmerkungen und viele andere mehr, fo man beybringen konte,
verfichern uns , dass die Griechen ein gut Theil ihrer Erzehlun-
gen von der Schöpfung von den Pheniciem entlehnet haben,
und dafs hinwiederum diefe fo wohl als die Egypter alles von den
Juden hergehabt , was sie davon gewuft und nachhero in eine fo
wunderfelzame Gestalt gebracht haben.
3. Des Thier-Kreyses.] Diefes ift einer von den sechs
groffern Circuln des kugelrunden Himmels-Gewolbes , in wel-
chen sich die Sonne und die Planeten bewegen. Die Sonne leüfft
durch den Thier-Kreys in 365 Tagen und ungefähr 6. ftunden
Der ganze Kreys ift in 12 gleiche Theile unterfchieden , welche
die 12 himmhichen Zeichen genennet werden. Sie ssehen in
folgender Ordnung: Der Widder, der Stier, die Zwillinge, der
Krebs, der Lowe, die Jungfrau, die Waage, der Scorpion, der
Schutze, der Steinbock, der Waflermar.n, die Fifche
4. Der Wassermann.] Das ift das Zeichen des Jenners,
welches der erfte Monat im Jahre ift. Wenn man den Poeten
glauben will, ift diefer der berühmte Ganymedes, welchen Jupi-
ter entführte und ihm das Amt gab , dafs er den Gottern den
Becher reichen mufte. Jedoch hat Hegefianax, nach Hygini Be-
richt;, gemeinet, dafs folcher der Deucalion (ey.
5. Den Löwen.] Das Zeichen des Julius; Dieses ift aus
dem Alterthum her der Nemeifche Lowe , den Hercules bezäh-
met und welcher auf Vorbitte der Gottin Juno unter das Geftir-
ne gefetzet worden. Nahe bey dem Schwänze dieles Lowens
flehet die Crone der Berenice , davon Callimachus ein gantzes
Gedichte gemacht hat, welches Catullus ins Latein überletzet.
6. Der Schutze.] Das Zeichen des Novembers, aus dem
Alterthum der Chiron, welcher halb Menfch und halb Pferd foll
gewefen feyn. Einige halten ihn auch vor den Croto, den Sohn
der
Stille nahe am Ende.
 
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