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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0024

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6 DIE RIESEN,
drucklichen Bedingung an den Saturnus abgetreten , dass dieser keine Sohne aus-
ziehen solte, damit nach seinem Tode die Titanen ihr Recht zur Krone wieder er-
langen mochten.6 Jupiter aber hatte solche nebft dem Leben der Betruglichkeit fei-
ner Mutter7 Rhea oder Ops alleine zu danken , wenn nicht etwa Saturnus selbft
auch Theil daran gehabt, indem er zu dieser Weiber-List durch die Finger gefehen.
Die Titanen hatten demnach nicht unrecht, dass sie sich über des Saturnus und des
Jupiter unrechtmäßige Vorenthaltung des ihnen gehörigen Regiments befchwehre-
teuj
ANMERKUNGEN.

nen die Prinzen von ihrem Hose. Die Poeten (a) erzehlen uns,
die Riesen hätten den Jupiter in seinem Sitze, in dem Olympus,
angefallen; welches von der Feftung zu verftehen, welche er auf
dem berühmten Thesialischcn Berge erbauet, um damit seine all-"
Zuunruhigen Feinde im Zaume zu halten. Hiernechft isl ndthig
Zu willen , daß die Sohne und Nachsolger des Titans von den
Poeten osftmahls Riesen genennet werden , dieweil lie edel und
tapser von Gemuthe waren, und vielleicht auch von einer unge-
meinen Grote: ja man hat auch wohl den Nahmen der Riefen und
Titans-Kinder den meisten Fürften beygelegt, welche von grofer
Leibes Gestalt und kuhner Art waren. Aus folche Weife sind
der Titanen so viel geworden.
Worum man aber beyde vor Kinder des Himmels und der
Erde ausgiebt, komt daher , dieweil sie Kinder oder Enkel des
Uranus waren , welches auf Griechifch den (b) Himmel bedeu-
tet, und der Titaea oder Titaja, welches in Celtifcher Sprache fo
viel als Erde oder Koth heift (<■), daher diefe Riesen immerTerri-
gente (d), das ift aus der Erde entfproflene , Kinder von Erden-
Koth, genennet wurden. Das Griechifche Wort Gigas, damit fie
benennet werden, heift felbft nichts anders als einer, der aus der
Erde (?) hervor gekommen ift. Hieraus kan man nun auch die
Erklärung der Hefiodischen Fabel nehmen , da gefaget wird,
daß die Riefen von der Erde gebohren worden aus dem Blute,
welches Ccelus aus der ihm von dem Saturnus angebrachten
Wunde sallen lauen. Hierinne fteckt die Aussofung aller Fabeln,
welche vorgeben, dass die Gotter den Himmel zum Vater und die
Erde zur Mutter gehabt , indem alle oder doch die allermeiften
aus dem hohen Geschlechte der Titanen hervorgekommen , da-
von Uranus und Titara die Haupter waren. Doch halten andere
diefe Etymologie vor allzuweit gefucht und find mit dem Ter-
tullianus (s) der Meynung , dais man die Riefen oder Titanen
um deswillen Erden-Kinder genennet, weil man nicht gewuft,
wo fie hergekommen; nach Gewohnheit der Alten, welche alle
diejenigen, deren Urfprung ihnen unbekant gewefen, Kinder des
Himmels oder der Erde geheifen.
Es finden fich Gefchicht-Schreiber, welche den Streit der Ti-
tanen , und den Riefen-Krieg wieder den Jupiter vor zwey unter-
fchiedene dinge halten ; diefen fehen fie an als ein Untersangen
einer Rauber-Bande von ungeheurer Geftalt, welche man ihrer
unbekanten Geburth halber Kinder der Erde genennet, indem
man , gleich als gefaget worden , folchen Nahmen allen unbe-
kanten Leuten beygeleget. Es find derer auch , welche vorge-
ben , daß die Titanen den Saturnus, und die Riefen den Jupiter
mit Kriege uberzogen. Wir haben uns an die aller wahrschein-
lichfte Meynung gehalten, welche fich aus die Schriften der Poe-
ten gründet, davon einige denen den Nahmen der Titanen bey-
legen , welche andere Riefen nennen. Diefe Unordnung aber
komt von nichts anders,als von den verfchiedenen Nahmen,wel-
che verschiedene Volker ihnen zu Bezeichnung ihres Herkom-
mens beygeleget , deren Erklärung , fo wie wir sie beygebracht
haben, nebft der Ungewißheit, welche diesfals bey den Scriben-
ten zu finden , anzeiget, daß diefe berüchtigten AufTrührer, ob
man fie gleich manchmahl von einander unterfcheidet, in der
That nur ein Gefchlecht feyn.
Hefiodus und nach ihm andere Poeten haben die Fabel von den
Riesen mit hundert andern Erfindungen ausgeschmücket. Uber
diefes, was wir albereit gefaget haben , von dem Unternehmen,
in dem Himmel zu fteigen , wird noch hinzugefetzet, dass die
Gotter aus Furcht in Egypten entflohen, allwo fie fich in allerhand
Thiere verwandelt, und daß Jupiter die Titanen endlich uberwun-
den , mit Blitzen unter fie geschlagen und fie in die Holle hinein
oder unter die Sicilianifchen Berge hinunter geworffen. (g) Man
flehet wohl , dafs eine wahrhaste Gefchichte hierunter slecket,
von einer wurcklichen Unternehmung wieder den Jupiter. Ty-
pheeus (h) oder Typhon war das Oberhaupt davon : es scheinet
dafs dieses ein vornehmer Bosewicht gewefen , welcher die übri-

gen Zusammeverfchwornen angeführet, und den man dadurch
gleich gelüchet verhalt zu machen , indem man ihn als ein Un-
geheuer abgemahlet. Das Unternehmen gieng anfangs gut von
ftatten: Alle Gotter, das ist alle Prinzen, verliesen den Jupiter,
um entweder Zu den Feinden über zu laussen, oder in Egypten zu
entweichen, und da wird gesaget, daß sie sich in Crocodillen, in
Assen &c. verwandelt. Viellicht weil die Schiffe, worauf sie gesah-
ren, den Nahmen oder Abbildung solcher Thiere geführet. Die
Entweichung der Prinzen von dem Hofe des Jupiter entkräfftete
seine Parthey dergeftalt, daß daher diejenigen, fo davon geschrie-
ben , Gelegenheit genommen zu fägen , Typhon habe ihm die
Hände abgefchnitten. Sein Sohn Mercurius brachte hierauf die
meiften diefer Fürftlichen Perfonen wieder zurücke , daher fagec
man, dafs diefer ihm die Hände wiedergefchaffet habe^ Der be-
käme Briaranis foll hundert Arme und eben fo viel Kopfe gehabt
haben ; durch welche Poetifche Ausdrückungen man entweder
seine Starke und Vermögen, oder fein Commando über fünfzig
seiner Gehulfen andeuten wollen ; dergleichen auch von dem E-
geon, Cottus , Gyges und einigen andern , deren Hefiodus ge-
denket, zu bemerken. Diefe waren entweder Anführer anderer
Rauber, oder See-Räubers, deren Macht, oder die Anzahl ihrer
Soldaten oder Schiffe durch fothane Nahmen angezeiget wird.
Inzwifchen endigte Jupiter,dem Mercurius mit guten Rathe bey-
ftand, diefen Krieg glücklich, und schlug feine wichtigen Feinde
zu boden , welches gar artig angezeiget wird , wen es heißet»
daß er fie mit Donner und Blitz darnieder gefchlagen.
Ohne allhier alles beyzubringen, was man in den Gefchichten
von den Riefen findet, fo lallen uns die Bücher Moßs gar nicht
zweiffein , daß es nicht vor Alters Menfchen von aufferordentli-
cher Greife gegeben. Das ift nur zu verwundern , daß fie die
Fabel säft in eben die Zeiten fetzet, als die Bücher diefes heili-
gen Gefchicht-Schreibers thun.
Die Erbauung des Babylonifchen Thums , welche so was be-
sonders ift, daß ihr Gedächtniß in der ganzen Welt bleiben muß,
hat den Poeten gute Gelegenheit gegeben, das Unternehmen der
Riefen mit allerhand Umftänden zu vermehren. Diefes wun-
derliche Vornehmen, wodurch fich die Nachkommen des Noah
einen Nahmen ftifften wolten in dem platten Lande Scinhar, eher
fie fich von einander abfonderten, war ja in der That eine Art
einer Empohrung gegen den Himmel. Was uns in diefer Muth-
maafung beftärken kan, ift, daß Nimroth, (bey den Poeten Be-
lus genant) welcher ein Anführer bey diefem lächerlichen Baue
War , von den fiebenzig Dollmetfchern ein Riefe genennet
wird.
6. Jupiter aber hatte solche, &c] Wir haben fchon
in der fünften Anmerkung über diefe Erzehlung gefehen , daß
Saturnus , dem mit feinem^Bruder Titan gemachten Vertrage zu
Folge, alle feine Kinder männlichen Gefchlechts zu Opfern ab-
schlachten lies, und daß Rhea , um den Jupiter beym leben zu ,
erhalten, ein anderes Kind an deffen stelle gefchaffet. Allein an-
dere wollen , dafs Saturnus (») feine Kinder gefrefTen , und daß
Rhea einen Stein vor den Jupiter hingeleget, welchen Saturnus
hineingefchlucket, ohne den Betrug zu merken. Diefes Gedich-
te nun deutlich zu machen , fo will man das Verhalten des Sa-
turnus gegen feine Kinder nicht fo wohl aus dem Brüderlichen
Vergleiche herleiten,als vielmehr aus einer Furcht,(£) fie moch-
ten ihn vom Throne ftofen, gleichwie er feinen Vater ehemahls,
daher er fie in engen Gefängnissen eingefchloflen gehalten. Die-
fe Muthmafung gründet fich darauf, dafs das Wort, fo einjehlie*
sen bedeutet, auch fo viel heifen kan als (/) verßhlinge», da denn
Hefiodus, welcher diefe Begebenheit aus Phenicischen oder Cel-
tifchen Nachrichten schrieb , folches nach dem Verftande erklä-
ret , welcher nach feiner Meynung die meifte Verwunderung er-
wecken konte. Und nachdem , (wird dabey gesaget,) die Un-
wahrheit fich meift selbst verrätht, fo fchreibet derfelbe Poete
von dem Ccelus , welcher mit feinen Kindern eben fo umgegan-
gen , nur gerade weg , daß er fie eingefchlosten gehalten, und
nicht

(<) Ovid. Met. 1. t. (*) Ur-en ein Horn de, Himmel, : dieses Wort Mimt aus der »Um Celt.fihen Sprache, v, Fezron. 1. '• (<)/« , J&A M "\• Calhrnach. hymn. ,»
U) yi,Erdeiy^)ch werde gebohren: aus der Erde gebohren. (/) Apolioget. c. 10. ($) ExplUJnßor. des Fable, (h)oder, wie andere Wien, Egcm. ,,) Hc-
siod. The/g. vs. w-L^hrm. (*} |*V hist. d„ Fable,. (I) Srehe Mr. Ic clet« . über Helsod. Theog. r. welcher dieles zwcjrdcuuge Wun vun dem rluni«-
liluo Stam-Wgrte T3al»h herführet.
 
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