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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0040

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DEUCALION UND PYRRHA. 17
Berge sich wieder sehen liesen, ja wie sie endlich gar im platten Lande die Walder
und Städte wieder zu Gesichtc kriegten. Sie statteten hieraus den Gottern Dank
ab, dass sie bey diesem allgemeinen Unglück ihnen einen sichern Platz angewiesen
hatten. Allein wie bald horete ihre Freude auf! Was vor einen Schauplatz erösf-
nete ihnen die Natur! Wo solten sie die nothigen Lebens-Mittel hernehmen ?
Woher solten sie einige Beyhulfe kriegen, welche man nirgends als in der menlch-
lichen Gesellschaft finden kan? Und wenn der Tod eines von ihnen hinweg neh-
men wurde , wie wird es dem uberlebenden ergehen, wie werden ihm die Tage
so lan<r werden, wenn er in einer schreckensvollen Einsamkeit immer den Tod er-
warten muß, und sich dabey auf nichts zu verladen hat, was sonst die Bitterkeit
dieser lezten unvermeidlichen Stunde versussen kan ? Noch einen einigen Troll:
hatten sie übrig, welchen ihnen ihre Gottesfurcht an die Hand gab. Es war
nemlich nicht weit von dem Orte ihrer Erhaltung ein Tempel der 1 Gottin The-
nns, welchen das Walter nicht verderbet hatte. Nach diefem gehen sie dann zu,
werfen sich vor dem Bilde der Gottin auf ihre Knye, bitten sie um Rath und Bey-
stand in ihrem Elende. Die Gottin antwortet: Gehet 'von hinnen , bedecket Haupt
und Angeflehte , l'öjet 3 eure Gürtel auf, und werfet Knochen 'von eurer Gros-
Mutter%mtcr euch. Diese Antwort aber konte ihr Gemuthe nicht sonderlich be-
ruhigen, sondern vermehrte vielmehr ihren Kummer. Pyrrha, welche sonft den
Willen der Gotter heilig erfüllte, konte sich nicht entschlulscn , die Toden-Schat-

ten

ANMERKUNGEN.

Nähme fey, sondern ein zusammen geseztes Wort aus iwey andern
Digle-lo?t, (Vexiüa lonum, das ist, die Fahnen der lonier) welches
eigentlich das Haupt der Ionier , die der Sundfluth entgangen,
anzeige; und der Nähme Pyrrha , soll nach eben dieses Mannes
Meynung ib viel heilen als Erde oder Koth. Er meynet, dafs
diefes belser mit der alten Zeit-Rechnung uberein komme , in-
dem Prometheus zur Zeit^ des Jupiter und des Patriarchen Ifaac
gelebet, dahingegen die Sundssuth des Deucalion wohl 200 Jahre
spater paffiret. Wobey man anmerken kan, dafs die meiften al-
ten Nahmen Bey-Nahmen gewefen, als wie Hercules , Cadmus
und andere mehr.
Andere fagen , dass, da die Gotter befchloffen hatten , das
menfehliche Gcfchlecht zu vertilgen , Deucalion allein unter al-
len Mcnfchcn als gerecht erfunden und würdig geachtet worden,
der allgemeinen Verderbung zu entgehen , dieweil er am erften
7.um Dienfte der Götter Tempel geflirtet , und Städte zur Men-
lchen Sicherheit gebauet , über welche er auch am erften gc-
herrfchet , wie Apollonias im 3. Buche saget. Worauf er sich
dann in fein Schiff einfchloffe > und genugfame Lebens - Mittel
vor fich und fein Weib Pyrrha mitnahm; und durch Hülfe die-
fes Schiffes oder diefes grofen Käßens , kam er in Sicherheit auf
den Berg ParnalTus.
Eine fehl anmerkenswurdige Gleichheit der Historie des Mo-
sis, und der Fabel ift es auch, was man noch dabey fetzet , (a)
nemlich, als die Erde einige Tage mit dem Waffer der Sundssurh
fey bedecket gewefen, habe Deucalion , um zu fehen , ob das
Gewafler noch nicht abnähme , eine Taube aus feinem Schiffe
fliegen laden , welche aber, da fie nirgends Platz um zu ruhen
fand, bald wieder zu ihm gekommen : folches that er etliche
mahl nach einander , bifs die Taube endlich nicht mehr wieder
kam, und er alfo schluflen konte , dafs (ie einen trockenen ort
gefunden , dafs die Erde alfo hier oder da vom Waffer befreyet
ley, und er nicht gar zu weit von folchem Platze feyn könne.
Arrianus aber in 2. Buche feiner Bithynifchen Gefchichten
schreibet , Deucalion habe fich zur Zeit der Ubcrfchwemmung
auf einen hohen Thum zu Argos begeben, und als sich das Waf-
ser wieder verlausen gehabt, habe er dem Jupiter zu Ehren einen
Altar aufgerichtet; Der Ort da er folches gethan , fey nach der
Zeit Nemxa genennt worden, weil fchöne Vieh-Weide dafelbft
und sehr viel Vieh auf ielbiger gewefen.
Thrafybulus schreibet in feiner Hiftorie , dafs Deucalion nach
überftandener Sundfluth^ alle die, so darvon gekommen, zufam-
men nach Dondona gefuhret, dafelbft mit ihnen zu wohnen, die
Stadt aber habe er nach einer Meer-Nymphe also genennet.
Paufanias erzehlct in feinen Attkis, Megar ein Sohn des Jupi-
ter von einer derer Nymphen, die Sithonides hiefen, fey aus den
Gipfel des Berges Geran gefluchtet, welcher aber damahls noch

nicht so genennet worden , sondern als Megar hinauf geftiegen
war , falle ^ er unter fich einen Trupp Kraniche , bey den
Griechen vi'p««?, geravos genannt , fliegen , daher er dem Berge
erft dielen Nähme beygeleget.
Das ift es nun, was die lieben Alten von dem Deucalion gc-
fchrieben, desgleichen was fie von der Sundfluth, und der Wieder-
Erfchaffüng der Menfchen gewuft haben.
2. Göttin Themis.] Sic war eine Tochter des Himmels
und der Erde , eine Schwerter der Rhea und der alten Thetis
desgleichen der Titanen; folglich eine Muhme, Baafc oder Mut-
ter-Schwefter des Prometheus, und Grassutter Schweiler des
Deucalion und der Pyrrha , des Epimetheus.Tochter. Gm die-
ser Verwandschaft willen haben ohne Zweifel die Poeten diefe
Eheleute ihre Zussucht lieber zu der Themis, als zu-einer-
andern Gottheit nehmen lallen.
3. Loset eure Gürtel aus.] Das Abfehen dieser Cere-
monie ift etwas dunkel. Wir fehen aber aus einem gewiffen Ver-
se des Catullus , daß , den Gürtel aufgelofet haben , fo viel ge~
welen sey, als feine Jungfrauschaft verlohren haben:
Et Zonam folvit diu ligatam.
Welches der neue Ehemann am Hochzeit-Abend feiner Braut
thun mufte:
Novus maritus is sihebat cingulum.
So fchreibet Varro davon , welchen Nonius anführet. Des-
gleichen Feftus und Catullus an einem andern Orte alfo davon
iprechen:
Et queerendum aliunde soret nervoßus illud,
Quod pojfet zonam folvere virgineam.
Und in dem Hochzeitgedichtc aus den Manlius und die Julia,
„ O Hymen, fagt er , du Gott der Vermahlungen , ein Vater
„ rufft dich mit Zittern vor feine Tochter an : die Jungfrauen
„ binden dir zu Ehren ihren Gürtel los : und wenn lieh auch
„ eine noch fo fehr vor dir entfetzet, so will fie doch gerne wif-
„ sen, was doch neue vermahlte mit einander beginnen:
Te sifc tremulus parens
Invocat: tibi virgmes
Zonula folvunt ßnus:
Te timens cupida novot
Captat aure maritoi.

(<) Plntarfhni de indush. anira,

4. De»
 
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