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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0041

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18 DEUCALION UND PYRRHA.
ten oder die Seele ihrer leiblichen Gros-Mutter zu beunruhigen. Deucalion aber,
welcher viel von dem lebhasften Geilte seines Vaters, des Prometheus, hatte, iahe
den rechten Verstand des 4 Gotter-Spruches ein. Gieb dich zm srieden, meine liebe
Trau, sagte er, die Gottin begehret nicht, daß wir ein Laßer begehen follen. Die
Erde iß unfere Gros-jMutter * und ihre Knochen bedeuten unfehlbar Steine, mit
welchen wir nach der Göttin Befehl wersen follen. So gleich verhüllen sie sleh das
Haupt, machen ihre Gürtel los, und heben Kiesel-Steine aus, welche sie folgends
hinter lieh wegwerfen. Kaum aber sind diefe Steine wieder aus die Erde gefal-
len , so werden sie weich , dehnen sich aus, und endlich verwandeln sie sich in
Menschliche Gestalten und werden von der Warme, die sie von der Erde empfan-
gen , belebet. Die Steine , welche Deucalion warf, brachten Manner und der
Pyrrha ihre Weiber hervor. Solchergeftalt wurde die Welt wieder mit Menfchen
besetzet. Allein diese neuen Menschen waren nicht um ein Haar beffer, als die
erslern: 6 ihr Herz hat immer noch etwas an sich von der Hartigkeit der Materie,
davon sie entstanden sind.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Diese Fabel hat nichts anders zum Grunde als die Zweydeiitigkeit des Phenici-
schen Wortes Eben 7 oder Aben, welches so wohl einen Stein als ein Kind bedeu-
tet, desgleichen die Ähnlichkeit der Griechifchen Worter, Laas und Laos, da-
von ienes ein Stein, diefes ein Volk heift. Es sind also diefe geheimnifs-vollen
Steine alihier nichts anders als die Kinder derjenigen, welche der Sündssuth entgan-
gen waren. Und weil fich Deucalion gleich anfangs nebft einigen seiner Unter-
thanen zu dem Athenienfifchen Konig Cranaus, deffen Land die Walter-fluth nicht
getrofsen , begeben hatte , und hernachmahls, da fich das Gewafler wieder ver-
laufen , mit feinen Leuten wieder nach TheiTalien gieng , so wurde er vor den
8 Wiederbringer des Menfchlichen Gefchlechtes gehalten.

ANMERKUNGEN.

4. Des Gotter-Spruches.]^ Von der Themis sind die
erften Orakel oder Gotter-Ausfpruche gegeben worden. Stra-
to fagt , sie hätte folche auf dem Berge Parnafsus ausge-
sprochen , und dass man fie um deswillen vor eine Gottin ge-
halten habe , dieweil sie denen Menfchen angerathen , fie folten
von keinen anderen Dingen Gelübde thun, als die recht und bil-
lig wären.
5. Ist unsere Grosmutter.] Die Alten haben der Erde
gar offt den Mutter-Nahmen beygeleget. Als ehemahls der Got-
ter-Spruch ergangen war , dass der die Herrschasst kriegen soke,
der seine Mutter zu erst kussen wurde, fo kusfete Brutus die Er-
de , welche unfer aller Mutter ift. Die Erde wurde nicht nur
vor die Mutter der Riesen gehalten, wie Hefiodus, Orpheus und
Viele andere fegen ; sondern man nennte sie auch eine Mutter der

Gotter, der Menfchen und der Thiere, und legte ihr dahero den
Nahmen Cybele bey.
6. Ihr Herz hat immer noch &c]
Inde genus durum sumus experiensque laborum ,
Et documenta damus} qua fimut origine nati.
Ovid. Met. L. I. vs." 414.
7. Eben.] Vid. Bochart, in Vbaleg.
8. Wiederbringer des Menschlichen &c] Sutersue.
runt , quos resugia montium reeeperunt , aut ad Regem Thestali*
condltum dicitur. Justin. Laie 6 * *™


VIII. DER
 
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