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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0123

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8o

DIE ZWILLINGE.

aber so gleich auch von der Hand des Idas sterben muste, welchem Pollux hin
wiederum das Lebens-Licht ausblies. Hierauf wolte Jupiter seinen Sohn über den
Verlust eines so inniglich geliebten Bruders trotten , daher lies er geschehen , dass
dieser seine angebohrne Unsterblichkeit mit jenem theilen mochte. Endlich gab er
beyden einen Platz in dem Himmel, allwo sie das Gestirn und Zeichen der Zwil-
linge vorteilen , und wechselsweise sterben oder vergehen und wieder zum Vor-
schein kommen.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Man hat allerhand ausgedacht, um die Fabel von der Leda zu erklären. Eini-
ge Scribenten meynen , dass nichts anders darzu Gelegenheit gegeben , als die
Schönheit der Helena , und vornehmlich die ungemeine Weilte ihres Halses und
Brun:, welche man dadurch am bellen anzudeuten vermeynet, wenn man vorge-
geben, dass sie einen Schwan zum Vater gehabt. Andere muthmasen, dass Leda
etwa eine Verliebte Zusammenkunft an dem FlulTe Eurotas gehabt, und dass, da
auf diesem Gewalser viele Schwäne gewesen , man dafür gehalten , es könne die
Ehre der Konigin nicht belser gerettet werden, als wenn man das gerucht erschal-
len lalle, Jupiter habe die Geitalt dieses Wasser-Vogels angenommen, um sie in
solcher zu berücken. Endlich sind deren auch, die behaupten wollen , dass alles
was man von der außerordentlichen Geburt der Tyndarischen Kinder geschrieben,
blos auf der Zweydeutigkeit des Griechischen Wortes Oon beruhe , welches so
wohl7 ein Ey, als auch das hochste Stockwerk eines Hauses bezeichnet, und dass
die Fabel von dem Ey daraus zusamme geschmiedet worden , weil Leda ihren
•Buhler in eine hochgelegene Kammer ihres Sehlosses zu sich habe kommen oder
ihre Kinder an so einem Orte aufbringen lalsen.
Castor und Pollux hatten mit ihren Helden-Thaten eine Stelle unter den Halb-
Gottern verdienet, dahero sezte man sie unter die Sterne in das Zeichen der Zwil-
linge. Und weil allemahl einer von den zwey Haupt-Sternen in selbigem sich ver-
lieret, wenn der andere zu sehen ist, so ist daher die Fabel von ihren abwechseln-
den Leben und Sterben entsprungen.

ANMERKUNGEN.
7. So wohl ein Ey.] Es ist in der Schreibart nur ein ganz Laced;ernoniern , woselbft diese Fabel jung geworden , bedeutet
geringer Unterfchied: ««» heist fo viel als ein Ey ; und bey den an das hochße Theil eines Haufes.


XXVIII. DIE
 
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