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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0134

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88

G L A U C U S.

seyn, Tagte er in sich selbst, dass dieses Gras eine so entsetzliche Begebenheit verur-
sachen können? Er wolte daher solches augenblicklich Unteraichen: riß etwas aus,
sleckte es in den Mund und kauete es. So bald er aber den Saft davon hinterge-
schlucket hatte, fühlte er sein Herz im Leibe slark schlagen und alle Eingeweide
{ich gewaltig bewegen, und ihm selbst kam so eine grose Begierde an, eine an-
dere Natur anzunehmen, dass er selbiger nicht wiederstehen konte. Also ver-
lies er die Erde, mit dem Vorsatz, solche niemahls wieder zu betreten, und
sturzte sich ins Meer. Die Gottheiten des Meeres nahmen ihn so gleich unter
sich und baten den Oceanus, und die Thetys, sie •mochten doch alles sterb-
liche von ihm ganzlich wegnehmen. Diese beyde Gottheiten reinigten ihn dem-
nach , indem sie ihn gewiise Geheymniss-volle Worte neunmahl nach einan-
der aussprechen liesen und ihm auferlegten , er solle sich in hundert FlütTen
untertauchen Dielen Augenblick erofneten sich hundert Qvellen und machten
FJiMTe, welche ihm alle übern Kopf wegliefen. Da er nun hierauf wieder zu
sich selber kam, so fand er sich in einem ganz andern Zu {lande als vorher, so wohl
was den Leib, als auch den Verstand betraf? Er sahe sich auch zum ersten mahle
mit einen grünen Barte und mit dem langen Haupt-Haare, welches auf dem Was-
ser schwimmet, mit den breiten Schultern , blaulichten Armen und langen Fisch-
Schwanze , welcher ihm an statt des Unterleibes gewachsen war. Hierauf kam
er in die Zahl der See-Gotter, und die Menschen fiengen an, ihm zu Ehren Tem-
pel und Altaren zu bauen.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Palephatus 2 saget uns, dass Glaucus * ein erfahrner Fischer und künstlicher
Schwimmer aus der Stadt Anthedon in Basotien gewesen. Er tauchte manchmahl
so lange im Waller unter, dass man dachte , er wäre weg ; und wenn er hernach
wieder zum Vorscheine kam, so gab er vor, er habe mit den Meeres-Gottern ge-
sprochen und erzehlete von selbigen wunderliche Sachen. Allein endlich, wie
derselbige Scribent hinzufüget, ersosf er , und weil ihm seine Betrügereyen eine
sonderliche Hochachtung zuwegegebracht hatten , so bildete sich der Pobel ein,
die Gotte-r im Meere hatten ihn zu ihres gleichen gemacht, und verehrten ihn auch
dafür.

ANMERKUNGEN.

2. Palephatus.! Lib. II. cap. 28.
3. Glaucus.] Athenaeus (a) welcher alles gesamlet hat , was
die alten Schreiber von dem Glaucus gemeldet, erzehlet , dass
er sich in die Ariadne verliebet , welche Thefeus in der Insel
Kaxos verfallen hatte, und dieweil er sich untersangen , selbige
zu entfuhren, habe ihn Bacchus mit Wein-Reben an einem Wein-
Psal lange zeit angebunden gehalten. In der See-Schlacht, so
zwischen dem Jason und den Tyrrheniern vorsiel, war er allein
unverwundet davon gekommen; als er aber in einen Meer-Gott
war verwandelt worden, lies er sich in der Tiefe des Meeres se-
hen , doch wurde ihn Jason nur alleine gewahr. Einige geben
vor er habe mit den Wasfer-Nymphen, Nereides genannt auf
einer Insel gewohnet und so wohl als wie diese wahrsagen kön-
nen , ja er soll auch mit einer von ihnen, Nahmens Europia in
Liebe gelebet haben. So liebte er auch die Idne eine Tochter
des Scionischen Scyllus. Desgleichen wird ,'von ihm erzehlet,
dass er die Syme geraubet , in Asien gesuhret und daselbst sich
auf einer unbewohnten InseL die von dieser seiner Frau den Nah-
men Syme bekommen, niedergelasfen.
Was seine Geburt anlanget, so sind die Alten darüber nicht

einig. Einige nennen seinen Vater Copeus ; andere geben ihn
aus vor einen Sohn des Polybius , der den Mercurius zum Va-
ter gehabt, und der Eubcea einer Tochter des Larymnus • oder
des Neptunus und der Nymphe Nais. Endlich finden sich auch
Scribenten, welche seinen Vater Anthedon (nach seiner Geburts-
stadt) und seine Mutter Alcyone nennen.
Sonst sind auch noch mehrere dieses Nahmens gewesen, wel-
che man mit unsern Glaucus , der Fonticus beygenahmet wird,
nicht verwechseln muss. Ein Glaucus der Sohn des Sisyphus
war, wurde von den Pferden gesressen; das iil,er brachte sich
mltA u unkoften, so er auf dergleichen Thiere wandte ,
an den Bettelstab. Der andere war ein Sohn des Minos und der
dritte hatte den Hippolochus zum Vater : dieser ists der seine
goldnen Waffen gegen des Diomedes seine kupsernen vertausch-
te- Polybius rechnet ihrer noch mehr her, die so geheilen: als
den Glaucus, der ein Sohn des Epytus , Königs der Messenier
war: den Glaucus einen Sohn des Antenor : den Carystifchen
Glaucus: den Glaucus von Chio, welcher die Kunft, das Eilen
zusamme zu loten, ersunden: den Glaucus von Sparta : und den
Glaucus, einen Bildhauer zu Argos.

(X Lib. 7. cap. 11.

XXXI. DIE
 
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