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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0183

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BELLEROPHON. 125
Andere haben vorgegeben, es sey ein berüchtigter See-Rauber gewefen, dessen
Schiff, die Chimxra genannt, wie eine Ziege geltaltet gewesen, und am Hinder-
theile das Bild einer Schlange , am Vorderen aber einen Löwen gefuhret. Sie la-
gen dabey, dass das Schiff, worauf Bellerophon gefahren, als er den Räuber be-
ileget , entweder der Pegasus geheisen oder das Zeichen eines geflügelten Pferdes
gehabt.
Es solte uns leichte fallen , noch mehr andere Erklärungen dieser Fabel beyzu-
bringen, alleine wir wollen uns lieber mit der alleine begnügen lauen, welche uns
am wahrscheinlichsten vorkomt.
Es war nemlich in Phaselis 11 , einer Landschaft in Lycien , ein Berg Chimarra
genannt, auf welchem lieh viele Löwen, Schlangen und wilde Ziegen aufhielten;
und der auch bisweilen Feuer-Flammen ausspye. Daraus machten nun die Poe-
ten ein Wunderthier, welches von ieden dieser Thiere etwas an" sleh haben solte;
und gaben vor, dass es Bellerophon uberwunden habe, indem erdiesegrausamen
Bestien ausrottete und den Berg sicher und wohnbar machte. Andere 11 wollen
durch die drey Kopfe der Chimaera die drey Gipfel dieses Berges verstehen, als wel-
che fast wie die Kopfe von solchen Thieren ausgesehen hätten, und meynen, dass
man den Bellerophon um deswillen vor den Uberwinder des vermeinten Unge-
heuers ausgegeben, dieweil er die Volker, so auf diesem Gebürge gewohnet, ver-
jaget ; jedoch aber nicht ganz allein , wie die Poeten schwatzen , sondern an der
Spitze des Kriegs-Heeres des Königs Jobatus.
Der Fall des Bellerophon ist eine verblümte Gleichniss-Rede , anzuzeigen , dass
er durch den glücklichen Fortgang seiner Thaten so aufgeblasen worden , dass er
endlich etwas sehr verwegenes unternommen, wodurch er zu Grunde gegangen.
Homerus, aus welcher wir die Historie des Bellerophon grostentheils entlehnet,
schreibet nichts ausdrückliches von dem begangenen Verbrechen dieses Prinzen.
Alles, was er davon läget, bestehet in folgendem : „ Nachdem sich nun Bellero-
„ phon den Hass der Gotter zugezogen hatte, lies er sich eine so tiefe Schwchr-
„ muth einnehmen , dass er alleine in den Wusteneyen herum lief und sich das
„ Herz abfras, vor den Menschen aber immer ssöhe. Denn der Kriegs-Gott Mars,
„ der von Streiten und Morden niemahls satt wird , todete ihm seinen Sohn Isan-
„ der in einem Tresfen mit den Solymiern ; und Diana schoss die Prinzessin Lao-
„ damia mit einem Pfeile tod. Und also blieb von den drey Kindern des Bellero-
„ phon der einzige Hippolochus 13 nur am Leben. Mit welcher Erzehlung Ho-
merus hat wollen zu erkennen geben , dass Bellerophon aus Unmuth über den
Verlust seiner Kinder sich aus der Gesellschafr der Menschen wegbegeben und end-
lich vor Gram gestorben.
Es ist oben in der Historie vom Perseus und den Gorgonen gezeiget
worden, was man durch die Flügel, die die Poeten ihren Helden andichten, ver-
stehen musfe. Solcher gestalt wird allhier durch das Pegasus-Pferd die Geschwin-
digkeit eines Bellerophontischen Schiffes oder vielmehr Pferdes angedeutet; wel-
chem man hauptsächlich deswegen Flügel beygeleget, dieweil es sonst fast un-
möglich schiene, dass es auf die Spitze des Berges Chimcera hinauf kommen
können.
ANMERKUNGEN.
11. In PHASELis &c] Vid. Vlin. Lib. II. c. 106. & Strabo, Chimsera bedeuteten die drey Ansuhrer der Solymier , als deren
Lib. XIV. Nahmen mit der Benennung solcher Thiere einige Verwandschast
12. Andere .: ... die drey Gipfel.] Und unter sol- gehabt.
chen Mr. Le Clerc in feiner Erklärung des 319. und 325. Verses 13- Hippolochus.] Der Vater desselbigen Glaucus , welcher
der Theogonie des Hesiodus, wofelbst er den Bochart wiederle- bey der Trojanifchen Belagerung feine Wassen (a) mit dem Dio-
get j welcher in seiner Auslegung gemeynet, die drey Kopse der medes getauschet.
(«) Hmtr. Iliad. 6.
Hhz XLV. DER
 
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