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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0182

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122

BELLEROPHON

einen Stier, um den Gottern wegen seiner glücklichen Ankunft Dank abzustatten.
Am zehenden Tage aber fodert er ihm die Briefe ab , welche der Konig sein Ey-
dam an ihn mitgesandt; und kaum hat er sie gelefen, so trägt er dem Bellerophon
auf, er solle gehen und ein entsetzliches Ungeheuer, welches Chimaera genennet
wurde und nicht von irrdischer sondern himlischer Ankunst war, ums Leben brin-
gen. Solches nun hatte einen Lowen-Kopf, 8 einen Drachen-Schwanz und einen
Leib wie eine Ziege ; aus seinem weit aufgesperreten Rachen aber suhr Feuer und
Flammen heraus. Die Gotter, welche die Unschuld und Klugheit in Schutz neh-
men, verliesen den Bellerophon nicht in einer so gefährlichen Unternehmung: und
schickten ihm das Pferd Pegasus zu 9. Unser junger Held sezte sich aus diesen ge-
flügelten Springer, trat den Kampf mit der Chimsera an und erlegte sie. Hieraus
überwand er auch die streitbahren Solymier 10 und gieng serner wieder die kriege-
rischen Amazonen zu Felde, die er auch bezwang.
Da nun der Konig in Lycien sahe, dass die Tapferkeit des Bellerophon großer
war, als alle Gefahr, und ihm doch gerne das Lebens-Licht ausgeblafen hätte,
suchte er unter seinen Lyciern die starksten und verwegenften aus und lies selbige
auf ihn lauren. Allein es kam keiner wieder nach Hause; der tapsere Bellerophon
streckte sie alle auf den Boden. Da sahe nun Jobatus wohl aus seinen ungemeinen
Thaten , dass er von gottlicher Abkunft sey, behielt ihn bey sich, gab ihm seine
Tochter Philonoe zur Ehe und die Helste seines Konig-Reiches zum Heyraths-Gute
mit. Die Lycier sahen auf das Exempel ihres Königs und gaben ihm ein besonde-
res Stucke Landes zu eigen, auf welchem das befte Wein-Land in ganz Lycien,
ein Geholze und die schonsten Getrayde-Felder lagen. Antsea aber , da sie sahe,
dass ihre Rache vergebens war,brachte sich selbst aus Verzweiselung mit Gist ums
Leben. Bellerophon zeugte inzwischen mit der Philonoe drey Kinder, den Isan-
der, den Hippoiochus und die Laodamia. Diese bewog den Jupiter selbft zur
Liebe und wurde durch ihn zur Mutter des tapfern Sarpedon.
Nach so viel ruhmwürdigen Thaten nahm sich Bellerophon vor, sich gar biss
in den Himmel zu schwingen. Jupiter aber schickte zur Beftrasung dieser Kühn-
heit eine grose Breme oder Wespe, welche den Pegasus so ftechen muste , dass er
seinen Reuter abwars und zwar in eine Ebene in Cilicien , allwo er des Gesichtes
und alles mensehlichen Beystandes beraubet in einem hochfl elenden Leben lange
Zeit herum schweisete, ehe ihn der Tod erlosen wolte.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Man hat sagen wollen , daß die Solymier ihrer Unerschrockenheit halber den
Löwen verglichen worden; die Amazonen aber den Ziegen , dieweil sie meift an
erhabnen und unwegfämen Orten gewohnet; und die Lycier den Schlangen, we-
gen ihrer Argliftigkeit und dafs fie den vorbeyreifenden heimlich nachftelleten. Aus
den Eigenfchaften diefer drey Volker, welche Bellerophon überwunden , haben
nun die Dichter die Chimaera zufamme gefabelt.
An-
ANMERKUNGEN.

8. Einen Lowen-Kops.] Hefiodus (a) suget dieser Erzeh-
lung bey , dafs das Unthier drey Kopfe gehabt > einen Lowen-
Kopf, einen Ziegen-Kopf, und einen von einem Drachen : daß
es eine Tochter des Typhon und der Echidna , und eine Mutter
des Sphinx, des Nemeifchen Löwen und der Schlange Ceto ge-
Wefen.
?• Das Pferd Pegasus zu. ] Pauiänias (b) da er von der
Minerva mit dem zunahmen Chalinitis fpricht , giebt vor , dass
mr folcher (von dem Griechifchen Worte £«a<vo5 , ein Zaum)
ley gegeben worden, dieweil fie dem Bellerophon beyhulsiger ge-

wesen , als andere Gottheiten , und ihm unter andern das Pferd
Pegafus gefchenket , welches fie erft selbft zahm gemachet und
aufgezaumet habe. Andere fagen , die Mufen hmen dem Belle-
rophon aus des Neptunus Vorbitte den Pegafus geleihet.
Jo.rJiE Streitbahren Solymier.] Die Solymier (V) wa-
ren Volker, die unweit Termefius an dem Flufle Maeander woh-
neten: vor alten Zeiten wurden fie Cabaks genennet. Noch zu
des Strabo Zeiten fahe man in diefer Gegend das Bellerophoniti-
fche Thal nebft dem Grab-Mahle feines Sohnes Ifander, welcher
in einem Treffen umgekommen war.

(*) Tnteg. vi; jzi, jzi. (I) Lib, z, (c) Mad. Darier, für le 6. Liv. de VBUdc.
 
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