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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0186

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A M P H .1 O N. tai
wilden Ochsen än den Schwanz banden, den Lycus todeten sie auch und bemäch-
tigten (ich des Königreichs. Man konte inzwischen der Stadt Theben die Grau-
samkeit und UngeschlifFenheit ihrer Einwohner wohl ansehen: sie war in der That
nichts anders, als ein unordentlicher Haufen elender Hütten , die hier und da zer-
streuet lagen; und die Stadt, wenn sie anders den Nahmen verdienet, hatte noch
keine so tüchtige Mauren, hinter welchen sie sich vor feindlichen Anlaufen hatte
{icher achten können. Amphion aber , welcher sich immer auf den Beystand der
Milien verlies, machte sich Hofnung, dass er diese neueingenommene Stadt zu
einer Haupt-Festung machen und ihr so ein prächtiges Ansehen, wie die Königli-
chen Residenz-Städte billig haben sollen , verschasfen wolte. Er rufet also chefe
seine alten Schutz-Göttinnen an, rühret sein Sayten-Spiel und singet darein, durch
Welchen lieblichen Zufammenklang die Steine lelbst belebet werden, sich von den
Felsen abreißen und von selbsten so artig auf einander setzen, als wenn sie der ge-
schickteste Baumeister mit seiner Hand dahin gebracht hätte. Solcher gestalt wur-
de Theben mit Mauren und Thürnen umgeben, und die schlechten Bauer-Häuser
wurden in die herrlichsten Palette verwandelt.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Pausaniass ist der einzige unter den Alten, aus welchem man einiges Licht Irl
der Geschichte des Amphion kriegen kan. Er erzehlet sie aber folgender Masen:
„ Polydorus 4 Konig zu Theben hatte einen Sohn von annoch zarten Jahren,
„ Nahmens Labdacus. Als er nun merkte, dass er derben wolte, übergab er die
„ Vormundschaft über diesen seinen Sohn und die Verwaltung seines Reiches dem
„ Nycteus. Inzwischen hatte Epopeus, welcher sich zum Konige zu Sicyon auf-
„ geworfen, die Antiope eine Tochter des Nycleus, entführet, daher ihm die
„ Thebaner auf den Hals giengen und eine Schlacht lieferten. Nycteus zog den
„ kürzern und ward todlich verwundet. Ehe er nun starb, ubertrug er die Sorge
vor das Reich und vor den unmündigen Prinzen dem Lycus und bat ihn instän«
„ dig, seinen Tod zu rächen. Epopeus aber war auch verwundet worden, und
„ weil er die Wunde nicht gros geachtet hatte, muste er dran sterben. Diescr Tod
„ nun machte dem Kriege ein Ende j denn sein Nachfolger Laomedon gab dem
sl) Lycus die Antiope wieder : sie wurde wieder nach Theben gebracht' und auf
■ dieser Reise nicht weit von Eleuthera wurde sie von ein Paar Zwillingen glück-
, lieh entbunden. Wiewohl Homerus diesen Kindern eine weit höhere Geburt
6 nebst der Ehre der Erbauung der Stadt Theben zuschreibet; worunter er aber
„' nach meiner Meynung nur die Unterstadt, nicht aber den Theil, welcher Cad*
„ mea benennet wird , verliehet. So bald aber Labdacus zu solchem Alter ge->
„ langet war, dass er selbst regieren konte, so übergab ihm Lycus den Regiments-
„ Stab, welchen er aber nicht lange führete, indem er in wenig Jahren starb: so
dass Lycus abermahls die Vormundschaft über einen jungen Prinzen , nemlich
„ den
ANMERKUNGEN.

3. Paus an 1 as.] Lib. Ii. & IX.
4. Polydorus.] Ein Sohn des Cadmus (a).
5. Die Antiope.] Nach, der Meynung des Scholiasten oder
Auslegers des Apollonius , hat Epopeus die Antiope nicht entfüh-
ret, sondern nur zu sich m Sicherheit gebracht, dieweil Nycleus
ihr fo gar ubel mitfuhr, als welchem die Schwangerschast sei-
ner Tochter ein folches Misvergnugen erweckte , dafs er auch
endlich drüber ftarb. Seinen Bruder Lycus bat er aber noch
vorhero gar fehr, dass er ihn doch rächen mochte. Derohal-
ben bekriegte Lycus den Epopeus , uberwand ihn und fchlug

ihn tod. Hyginus saget (b) Antiope wäre des Lycus feine Frau
gewefen. Er giebt auch vor , Epopeus , welchen er Epaphus
nennet, habe selbige versühret, woraus sie Lycus yerftosen ,
und da habe fich erft Jupiter zur ihr gefunden. Inzwifchen arg-
wahnete Dirce, als ob ihr Mann feine vorige Frau noch heim-
lich besuchete, daher sie selbige gefangen nehmen lies. Diefd
aber sand Mittel, zu entwifchen und entflöhe auf den Berg Cy-
theron , allwo fie ihre beyden Zwilling' gebahr.
6. Höhere Geburt.] Er saget, Jupiter sey ihr Vater g«-
wesen (c).

(*) Tmptn. I. 9. (*) Fab. 7- M Oisjf. u.

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