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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0224

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DIE H O E L L E. i53
sie um das Haupt herum tragen. In einem etwas entlegenen Thale sindet man
ein anmuthiges Waldgen, woran der Fluss Lethe stoset. Daselbft siehet man
an beyden Ufern eine unzehlige Menge Schatten von allerhand Völkern haus-
fen weise herum schweben. Welche Seelen nun das Geschicke ausersehen hat
in andere Corper zu senden, die kommen und trinken aus diesem Flusse, welcher
die Kraft hat, einem das vergangene aus dem Gedächtniss zu bringen ; und so
bald sie daraus getrunken haben, werden Tie wieder auf die Erde gesandt, dahin
sie doch so gerne wieder zunicke wollen.
ERKLÄRUNG DER FABEL.
Diodorus Siculus 1 zeiget uns an, dass nahe bey der Stadt Memphis ein See,
Acherusia genannt, gewesen, jenseit dessen man vor alters die Toden begraben.
So bald man sie einbalsamiret hatte, wurden sie an den Strand getragen , dahin
sich denn auch gewisfe Richter verfugten, um die Toden zu beurtheilen , welche
jenseit des Sees solten gebracht werden. Da untersuchte man nun ihren Lebens-
Lauf und horte ihre Anklager an ; und wenn sie der Begrabung würdig geachtet
wurden, legte man ihnen ein kleines stiick Geld unter die Zunge, den Schirfmann
damit wegen der Uberfarth zu vergnügen; welcher auf die dasige Landes-Sprache
Caron oder Charon genennet ward. Die aber , welche eines ehrlichen Begräb-
nistes nicht werth geachtet wurden , die wurf man auf den Schindanger oder die
Priester brachten sie etwa in der Stille unter die Erde. Auch so gar die Könige
waren diesem Gesetze unterworfen , und die Richter hatten gar keine Scheu ,
denselben die Begrabung zu versagen. Uber dem See aber war ein sehr lustiges
Holzgen, ein der gerne in Schatten wohnenden Hecate geweyheter Tempel und
zwey wohlbekante Moraste Cocytus und Lethe genannt.
Orpheus nun hatte Egypten durchreiset und soll hernachmahls das, was er da-
selbst gesehen , mit einigen Umstanden vermehret, bekant gemache haben, wie
uns eben dieser Scribent versichern will. Und das ift denn der Ursprung der Holle
bey den Poeten, wie auch vieler andern Fabeln , welche die Griechen daran ge-
ssicket. Es ist auch gar nicht schwehr, die Auslegung dabey zu machen. Wir
aber wollen nur noch einige besondere Stucken unserer aus dem Virgilius1 genom-
menen Hollen-Beschreibung etwas genauer betrachten.
Acheron 3 und Cocytus waren zwey Fluste in Thesprotien einer Epirischen
Landschast. Sie hiengen bey de mit dem Acherusischen Moraft zusammen , wel-
chen Orpheus vielleicht um deswillen also benahmet, dieweil er einen dergleichen
See nahe bey Memphis gefehen. Dieweil sie aber ein ungesundes und ubelschmec-
kendes Wärter bey fich fuhreten , hat man sie zu Flusten in der Holle gemachet}
und ihnen den Phlegethon noch beygesüget, als welcher nicht weit davon slieset.
Von dem Styx ist in den Anmerkungen über die Fabel vom Phaeton gesaget
worden. Was den Fluss Lethe betrist, fo find vor alters mehrere Flusse 4 gewe-
fen, die diefen Nahmen gefuhret; und weil man glaubte , dass die Toden alles
vergafen, was fie in ihren Leben gethan, fo fezte man den Lethe-Flufs in die
Holle, dieweil das Wort Lethe fo viel hies, als Vergeslichkeit. Eine dergleichen
von dem Urfprunge der Nahmen hergenommene Ursache kan auch was dazu ge-
holsen
ANMERKUNGEN.
1. DioD. Sic] Lib. I. seinen Ursprung (e) in dem Lande der Cekiberier nahm; ,j_
2. Aus DEM Virgilius] Lib. VI. iEneid. derer in Africa , nahe bey der Stadt Berenice ; der dritte t,ja»
,' AcHERON.] Es war ein Flufs diefes Nahmens in Epirus (a), cedonien und der vierte in Candia. Pauiänias (f) redet auch
und einer in Italien (*) ; ein See Acherusia genant aber war nahe von einem Brunn diefes Nahmens, woraus man diejenigen habe
bey Cumse (c) ■> und ein anderer in Thesprotien (d). trinken laden, welche in die Hohle des Trophonius hinunter ftei-.
4. Mehrere Flusse gewesen.] Einer in Spanien, welcher gen wollen.
(<) Ftint, h 4.c. I» (t) Id. 1. 3- «• S- («) Ibid. {*) Id. L 4. c. i. («) Stroh, l j. (f) Lib. ?-
 
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