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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0223

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152 DIE H OE L L E.
Mensch! Wie wolte er doch mit dem Gepolter, das seine Rosfe aus einer ehernen
Brücke machten, diesen Gott des Gewitters und seinen Donner, dem nichts gleich
komt, vorftellen! Alieine Jupiter ward über feinen Stolz erzürnet und stürzte ihn
in diese Tiese. Der verwegene Erd-Wurm Tityus, desfen unmenschlicher Cor-
per neun Acker Landes einnimmt, muss die allerfchrecklichfte Qy_aal in diesem
Marter-Loche ausftehen. Denn ein Geyer hat in der Brust dieses Missethäters
seinen Sitz gemachet und srisset ohne Unterlafs von seinem Eingeweyde, wel-
ches aber immer wieder wächset und ihm also sein schmerzliches Leiden vere-
wiget. Man kan daselbft alle diejenigen sinden, welche in beständiger Un-
verlohnlichkeit mit ihren Brüdern gelebet j desgleichen die Unmenfchen , die
ihre Eltern, von denen fie doch selbft das Leben empfangen, umgebracht:
ferner diejenigen, welche sich der Osfenherzigkeit derer, die ihr Vertrauen aus
fie gefetzet, bedienet, selbige zu betriegen: die, welche Reichthümer zusamme
gescharret, und doch ihren nachsten Freunden nichts davon zu gute gethan :
die, welche in Ehebruch betrossen, ums Leben gebracht worden: ingleichen die,
welche die Wafsen wieder ihre rechtmäsige Herren ergrisfen, mithin ihren theuren
Eyd gebrochen haben. Diefe lezteren liegen in tiesen Lochern eingekerkert und
ihre Strafe beftehet darinne , dafs fie immer in Furcht find, man werde fie nach
Verdienft abftrafen. Unter diefe Art von armen Sundern werden auch gerechnet
die Verrather, fo ihr Vaterland vor Geld verkaufet und einem unberechtigten Ty-
rannen geliefert haben : obrigkeitliche Perfonen , die aus Eigennutz Gefetze auf-
oder abgebracht: blutschänderifche Vater und alle die fich auf unerlaubte Art
verheyrathet: als welche alle gleiche Schuld haben, dafs fie die Lafter nicht nur
begangen, fondern auch noch Vortheil daraus gezogen.
Rechter Hand von dem Tartarus ift ein anderer W^eg , woraus man nach den
Elyfeifchen Feldern zugehet; alfo nennet man die anmuthigen Ländereyen , da
die Seelig gewordenen Seelen in luftigen Garten, auf bunten Wiefen und in den
angenehmiten Gebufchen ihre Wohnungen finden. Die Luft ift dafelbst rein und
das Wetter allezeit helle und klar. Es icheinet dort ganz eine andere Sonne ncbft
andern Sternen, als auf dem Erdboden. Einige {teilen auf den Wiefen allerhand
Spiele an, oder üben fich auf dem Sande im Ringen. Andere danzen und ftim-
men allerhand Gefänge an. Orpheus, der berühmte Sanger aus Thracien ift
auch da , in einem langen weifen Rocke nach Art der Priefter, und fpielet
aufs allerlieblichfte auf seinem Sayten-Spiele. Es befinden fich dafelbft die tu-
gendhaften Helden, welche die Wafsen niemahls anders, als zum Nutzen des
Menfchlichen Gefchlechts, in die Hand genommen. Die vielen Wasfen, Wa-
gen, Spiefe und Pferde, die um sie herum find, bezeugen, dafs die Neigun-
gen , welche wir im Leben gehabt haben , uns auch nach dem Tode nicht
verlassen. Aus beyden Seiten ist ein Lorbeer-Gebufche , in welchen die feeli-
gen Schatten was gutes effen und trinken und fich mit Singen unter einander
luftig machen. Der Fluss Eridanus fällt darinne nach Art der kunftlichften
Wasser-Fälle von der Erde herunter und benetzet diefes Geholze , durch wel-
ches er fich Schlangenweife hindurch ziehet. An seinen Ufern halten fich die-
jenigen auf, welche Ehren-Wunden davon getragen, da fie vor ihr Vaterland
gestritten: und die welche in Priesterlichem Stande ein erbauliches Leben ge-
sühret; ferner diejenigen Poeten, welche aus Ehrfurcht gegen die Gotter lauter
folche Dinge gedichtet, die dem Apollo gesallen können : dann serner die,
eiche ihre ganze Lebens-Zeit mit Ersindung und Ausarbeitung guter Klin-
kte zugebracht: und endlich auch alle , die durch gute Dienste , fb sie dem
gemeinen Wesen geleiftet, sich einen ewigen Nachruhm erworben haben. Man
kan diefe Schatten vor allen andern kennen an einem weisen Bande, welches
fie
 
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