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Picart, Bernard
Neueröffneter Musen-Tempel: welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet ; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen — Amsterdam u. Leipzig, 1754

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https://doi.org/10.11588/diglit.8922#0226

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DIE H O E L L E.

Die Griechen wolten auch gerne Richter in der Holle haben, wozu sie unter
den abgelebten Fursten einige aussuchten, welche sich den allgemeinen Ruhm der
vollkommensten Redlichkeit erworben hatten. Und solche waren Minos, irlacus
und Rhadamantus. Minos Konig in Creta war ein Sohn des Jupiter ,J und der
Europa. Seine Gesetze waren in solchem Ruf, dass Lycurgus eine Reise nach der
Insel Creta that, um sich selbige bekam zu machen. Rhadamantus, ein Bruder
des Minos, und der eben so gerecht und tugendhaft war, als er , hals ihm ver-
mitteln: seiner guten Einsicht, seine Gefetze machen und in Schwang bringen.
/Eacus ein Sohn des Jupiter und der VEgina wurde vor den billigften Fursteii seiner
Zeit gehalten. Er hatte einen Sohn, Nahmens Peleus, welcher des Achilles Vater
wurde. Hiebey muss nicht unerinnert bleiben , dass die Dichter den /Eacus und
Rhadamantus ,+ nur als Unterrichter oder Bey sirzer des Minos vorzustellen pflegen.
Die Parcen, deren wir in Beschreibung der Holle nicht gedacht haben, dieweil
sie nicht von allen Scribenten dahin gewiefen werden, werden aber doch gemei-
niglich unter die unterirrdischen Gottheiten gerechnet. Auch dieic drey Schweftern
hat die Einbildungs-Kraft der Poeten hervorgebracht, Welche vorgeben , dass das
Gebiethe der Parcen sich über die Geburth der Menschen, über die verschiedenen
Vorfalienheiten ihres Lebens und endlich auch über ihren Abschied aus der Welt
erstrecke,und uns dadurch lehren wollen, dass alles auf dieser Erde durch ein un-
vermeidliches Geschicke regieret werde. Sie haben gedichtet , dass diese Gotthei-
ten gleichsam an unsern Leben sponnen : Clotho hielte den Spinne-Rocken, La-
cheiis drehete die Spindel, und Atropos riiTe den Faden entzwey. Der elftere
dieser Nahmen heist so viel als eine Spinnerin ; der zweyte so viel als Zusall oder
Gefchicke; und der dritte, unbeweglich. Parce aber helsen sie als solche, die nie-
mand <uerf honen XK
Wir haben gesaget, dass Aidoneus oder Pluto ein Konig der MoloiTen in Thes-
protien gewesen. Dieser Herr nennte seine Gemahlin Phersephone oder 16 Proser-
pina. In seinen Ländern waren viel Bergwerke; und weil man die Metallen aus
den innersten Höhlungen der Erde heraus höhlet, dahin die Poeten die Holle ge-
bauet haben, und diejenigen, welche darinnen arbeiten , meistens ihr Leben da-
bey zusetzen , so sahe man den Pluto als einen Konig der Toden und als einen
Gott der Hollen an. Hienachst gab auch der Fluss Acheron, über welchen man
sich muste setzen laßen, ehe man in sein Land kam, zu dieser Fabel Anlass. An-
dere erzehlen das, was nur eben von dem MoloiTischen Konige gesaget Worden,
von dem Pluto, Sohne des Saturnus, welcher nachdem ihm die Abend-Lander zu
Theile worden waren, eine Parthey neue Einwohner nach Spanien gesühret und
selbige in den Gold- und Silber-Gruben arbeiten lalTen, als die vor Zeiten in die-
sem Lande sehr gemein waren, insonderheit in der Landschast Bsetica iJ, woselbft
er eigentlich seinen Wohnplatz nahm. Diesem Fursten war auch die Schönheit der
Proserpina, Tochter der Konigin Ceres in Sicilien fo fehr geruhmet worden, dafs
er fie entfuhren lies und zur Gemahlin nahm ,8.
ANM.ERKÜNGENi
genennet worden. Andere aber wollen dielen Nahmen von dem
Griechifchen taratto das ift verunruhigen herleiten; oder von dem
Chaldadfchen Worte dardar , welches einen niedrigen und hoh-
len Platz bedeutet. Man halt auch endlich dafür, dafs der Näh-
me Lethe , welchen man dem Flusfe der Vergesfenheit beygele-
set , von dem Guadalethe-Strom herkomme , welcher feinen
-aus nach dem Meer-Bufen bey Cadix zu nimmt.
18. Zur Gemahlin nahm.] Man hat auch noch eino an-*
dere Meynung von diefer Fabel. Nemlich Diodorus aus Sici-
lien (a) giebt vor, Pluto fey blos um deswillen vor den Gott
der Holle und Verstorbenen gehalten worden, dieweil er der er-
fle gewefen , der in Griechenland den Gebrauch des Leichen-
Gepränges und anderer Begräbnils-» Ceremonien aufgebracht.
(«) Lib. s.
Qcj z LVI. TAN-

1

13. Ein Sohn des Jupiter.] Oder vielmehr des Asterius,
Königs zu Creta, welcher fich den Nahmen des Jupiter gab.
14. ^Eacus und Rhadamantus.] Mzcus verurtheilte die
Europäer und Rhadamantus die Afiatifchen Volker, unter wel-
chen auch die Africaner begriffen waren.
15. Niemand verschonen.] Per Antiphrasm, <j parcendo,
ttuud nemini parcant.
16. Phersephone &c] Siehe Plutarchus im Lehen des The-
feus.
17. B/ETICA,] Heutiges Tages Andalusien genannt. Diejeni-
gen welche es mit diefer Erklärung halten, vermeynen auch den
Ursprung des Tartarus in dem Tartefsus oder Baetis zu finden,
welches ein Flufs in Bsetica ift, der nach der Zeit Guadalquivir
 
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