Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Schönleber, Gustav: Notizen zu meinem Leben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gustav Schönleber. Erstes Grün (Pastell).

werden, bis ich während der durch den Krieg
etwas reichlicher gewordenen Ferien wieder
viel Zeit fand in Eßlingen, der alten Reichsstadt,
mit dem Zeichenbuch zu sitzen vor den alten
Mauern, Gräben und Häusern; auch in Tübingen
war ich damals und schließlich kams doch zu
einer Art Leidenschaft, ich begann zu vergleichen
und fand mein Sach gar nicht übel. Im Poly-
technikum hatte ich unter Prof. Kurtz „Gips-
köpfe“ ohne besondere Gefühle fleißig gezeichnet,
meine Landschaften machten mehr Glück und
fanden viel Anerkennung bei ihm, hauptsächlich
gab aber Prof. G. Conz in Stuttgart, Vetter meines
Vaters, den Anstoß, daß ich umsattelte, er fand,
es sei schad um mein Talent, und riet, direkt
nach München zu Adolf Lier zu gehen. Ich
bin meinem Vater viel Dank schuldig, daß er
so bereitwillig darauf einging, mich in die „un-
sichere“ Künstlerlaufbahn zu lassen, gabs doch
auch Leute, die warnend den Finger erhoben.
1870 im Oktober kam ich nach München. Die
„Neuesten Nachrichten“ hatten noch kleinstes
Brief bögelchenformat und man aß im Kollergarten
für 12 Kreuzer gut zu Mittag.

Bisher ist die Geschichte nicht sehr wissens-
wert gewesen, vielleicht kommts jetzt besser!

In der Lierschule waren damals Baisch,
Wenglein, von Tiesenhausen, von Poschinger, von
Malchus, Kubintzky und eigentlich kein Platz
mehr tür einen Neuen, aber meine Skizzenbücher
und der Umstand, daß ich noch auf keiner
Akademie verdorben worden sei, ließen mich
noch zu; ich selber stand diesen Fragen mit
absoluter Naivität gegenüber und hab erst ziem-
lich viel später eingesehen, was alles ich nicht
gelernt hatte und nur allmählich reinholen konnte,

teilweise. Meinen Lehrer verehrte ich sehr
und tue es noch, aber auch die Leistungen der
Mitschüler mit der dicken Ölfarbe imponierten
mir gewaltig. Lier war einige Jahre zuvor aus
Frankreich zurückgekehrt, war Schüler von
Dupre gewesen, hatte den alten Münchner aus-
gezogen und schwärmte für alle und alles, was
man heute mit Schule von Barbizon bezeichnet.
Das Gespräch drehte sich um die Franzosen
auf der 1869 er Münchner Ausstellung, Courbet
war selber dagewesen; so recht viel davon ver-
standen hab ich nicht, aber was ich sah, gefiel
mir; Lier hatte gute Kopien aus Paris, auch
eine echte Skizze von Dupre; Baisch war auch
dort gewesen und hatte kopiert, alte und neue
Meister.

Von Ed. Schleich dem Vater ging auch viel
Anregung aus. Die „historischen Landschaften“
wurden gering eingeschätzt, nur Wenglein ver-
teidigte sie. Ich erinnere mich nicht, daß ich
diese Strömungen und Meinungen für etwas be-
sonders Wichtiges gehalten hätte, ich hatte offen-
bar zu wenig „Bildung“ dafür. Mit der Kunst-
geschichte von Lübke wußte ich auch nicht viel
zu machen, ich fing an mich für alte holländische
Landschaften zu interessieren in der Pinakothek
und kopierte auch einmal einen Wouvermann
neben den Kopien nach Studien meines Lehrers
Lier, von denen ich noch einige aufbewahrt
habe, darunter eine aus Dachau, so einfach und
natürlich-bescheiden. Beim Kopieren dieser ging
mir das erste Licht auf, daß das „Kunst“ ist,
an Weihnachten 1870 brachte ich sie mit nach
Hause, aber ich glaube, die Bewunderung galt
mehr der Tatsache, daß sie aus waschbarer Öl-
farbe hergestellt war, als der Einfachheit des

2
 
Annotationen