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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Schönleber, Gustav: Notizen zu meinem Leben
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0017

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USTAV SCHÖNLEBER.

NOTIZEN ZU MEINEM LEBEN.*

Geboren den 3. Dezember 1851 in Bietigheim
a. d. Enz in Württemberg, wo mein Vater eine
Tuchfabrik hatte, neben der Brücke; zuweilen war
Hochwasser, Haus und Straße überschwemmt,
für die Jugend eine herrliche Erinnerung. Wir
waren 9 Geschwister, ich der dritte Bub. Die
Volksschule und Lateinschule beieinander im
alten Häusergewinkel. Letztere hatte ein einziges
Zimmer, das über die Stadtmauer sah, sämtliche
Jahrgänge beieinander. Ich war immer derjenige,
der „zeichnete und malte“; woher die Lieb-
haberei kam, weiß ich nicht. Auf einem Auge
blind, habe ich vielleicht früh die Fähigkeit
gehabt, die Natur auf einer Fläche gleichsam
zu sehen; ich erinnere mich, daß ich niemals
mit „Perspektive“ Not hatte, ohne daß mir
jemand sie beigebracht hätte. An der Enz wars
immer interessant, im Sommer wurde gefischt
und „gekrebst“, die Flößer blieben stecken.

In der Tuchfabrik war natürlich herrliche
Gelegenheit zum „Basteln“, wie man bei uns
sagt, wir haben als Kinder die schönsten
Wasserräder gebaut, mitunter ganz komplizierte
Maschinen. Auf der „Insel“ war der herrlichste
Platz.

1864 kam ich nach Stuttgart aufs Gymnasium.
In Bietigheim in der Lateinschule hatte noch
in Abendstunden das Griechische begonnen,
wobei die vier „Griechen“ die Beleuchtung in
Gestalt von Talgkerzen selbst stellen mußten.
Lange blieb ich nicht Stuttgarter. 1866 im Herbst
steckte mich mein Vater in die praktische
Maschinenbauerlehre, in eine Fabrik landwirt-
schaftlicher Maschinen in Hemmingen. Das
war eigentlich eine sehr nützliche Zeit für mich.
Als Lehrling stand ich 2 Jahre am Schraubstock,

* Durch Güte des Künstlers uns zum teilweisen Ab-
druck überlassen. D. Red.

G. Schönleber. Heimat.

an der Drehbank und in der Schmiede und ich
war ganz beim Handwerk. Doch hab ich da-
mals auch gezeichnet und gemalt, mein Prinzipal
ließ mich auch seine Dreschmaschinen usw.
perspektivisch darstellen, wie die Leute mit den
Maschinen arbeiten, und machte damit viel mehr
Eindruck bei den Bauern, wenn er ging Be-
stellungen zu sammeln. Ganze Gruppen in
Tätigkeit mit Pferde- und Dampfbetrieb, Staub
und Rauch hab ich so geleistet, das imponierte!
Die Landschaft in ihren Stimmungen machte
mir schon Eindruck, häufig machte ich den Weg
nach Hause, 3Y2 Stunden, nach Feierabend
Samstags und Montag morgens um 3 Uhr zurück,
um zu rechter Zeit wieder bei der Arbeit an-
zutreten, und es war ein schöner, abwechslungs-
reicher Weg, er ist mir sehr in Erinnerung ge-
blieben. 1868 wurde mein blindes rechtes Auge
krank, in der Fabrik war sehr schlechte Be-
leuchtung, der unmittelbare Grund konnte nicht
konstatiert werden; da aber das gute Auge an-
fing in Mitleidenschaft zu geraten, so wurde das
kranke weggenommen und ich habe seither nie
mehr zu leiden gehabt, allerdings bin ich jetzt
sehr kurzsichtig und zeichne oft, wenn nötig,
durchs Perspektiv, trotz meiner scharfen Brille.
1868—69 besuchte ich die Oberrealschule in
Ludwigsburg, dann in Eßlingen, wohin meine
Eltern übersiedelten nach dem Verkauf der
Fabrik in Bietigheim. Als ich Herbst 1869 in das
Polytechnikum in Stuttgart eintrat, hatte ich
ein Schuljahr wieder eingebracht. Damals durfte
ich meine erste Studienreise machen mit dem
Skizzenbuch; ich war in Wimpfen, in Weikers-
heim und Rothenburg a. d. T. Mein Vater hatte
immer große Freude an meinen Zeichenkünsten.
Früher war er auch viel mit uns ausgezogen,
so gehören das Zabergäu, Besigheim, Lauffen
a. Neckar, Marbach zu meinen frühesten Er-
innerungen. 1870 war ich noch ein sehr eifriger zu-
künftiger Maschinenbauer, über Spinnmaschinen
ging mir nichts, ich dachte nicht ans Maler-

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