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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Zobel, Victor: Messels Darmstädter Museumsbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0063

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MESSELS DARMSTÄDTER MUSEUMSBAU.

eine weitere Belebung in das Gesamtbild. Der
Turm ist also keineswegs ein nur schmückender
Bestandteil des Baues, sondern hat in hervor-
ragendem Maße seine guten künstlerischen
Gründe. Über die Bestimmung des Bauwerks
kann trotz des Turmes gar kein Zweifel sein,
und darum ist im Grunde der Wunsch nach
einer museumsgemäßeren Lösung unberechtigt.

Der östliche Flügelbau kehrt seine ruhig ge-
haltenen Formen gegen den kleinen regelmäßigen
Platz am Theater, auf dem die beiden Schollschen
Landgrafengestalten einen außerordentlich gün-
stigen Platz haben. Der große Galeriebau sieht
in den Schloßgarten hinein und wirkt hier, durch
einen offenen Söller gegliedert, und belebt von
den alten Parkbäumen zu seinen Füßen, in
seiner ernsten, phrasenlosen Haltung ruhig und
schlicht. In jedem Teile des Baues liegt mit
sicherer Deutlichkeit und ohne irgendwelche
Phrase seine Aufgabe und sein Zweck zu-
tage; aber es ist in allem eine so vornehme
Zurückhaltung, daß die künstlerischen Ab-
sichten wie etwas selbstverständlich Gewor-
denes anmuten.

In den Einzelheiten wächst aus den Formen
eines abgeklärten Barock mit seiner anschmieg-

Y AUSSTELLUNG DER FREIEN

VEREINIGUNG DARMSTÄDTER
KÜNSTLER.

Die „Freie Vereinigung Darmstädter Künstler“ ist um
die Mitte der neunziger Jahre gegründet worden, in einer
Zeit, da von solchen Gruppenbildungen in stilleren Orten
die Kräfte der neuen Zeit zusammengefasst wurden gegen
den Stumpfsinn der in den Kunstvereinen gezeigten ver-
brauchten und verblassten Alltagsware. Die junge Ge-
nossenschaft hat in manchem Entfremdeten die Erinnerung
an die alte Heimat wiedergeweckt und, indem sie ihr die Lud-
wig von Hofmann, Löfftz, Bracht, Raupp, Halm, Bär, Engel,
Selzam wieder zuführte, erschlossen, welch reichen Schatz
produktiver Kraft das kleine hessische Land der deutschen
Kunst zugebracht. Das alles geschah in tüchtigem Mühen
und wackerem Kampf gegen Vorurteil und feindlichen Sinn,
lange vor Begründung der Künstlerkolonie, und hat auch
deren Voranschreiten die Bahn geebnet. Nun erweist eine
neue Ausstellung in der Kunsthalle, die fünfte in der Reihen-
zahl, die Kraft unverminderten Strebens der kleinen
hessischen Künstlergemeinschaft in erfreulich geglücktem
Werk. Auswärts schaffende Hessen erscheinen mit den
Darmstädtern im Verein. O. H. Engel hat eine grosse
Kollektion seiner Waterkantbilder gesandt, Menschen- und
Landschaftsschilderungen, alle erfüllt von seiner sachlich
schlichten Art eindringlich getreuer, aber stets nüchterner
Darstellung. Eugen Bracht gibt in einem Herbstbild
aus dem Darmstädter Wildpark ein dekoratives Prunkstück
in der leuchtenden Pracht gelber und brauner Töne. In
Karl Küstners Winter- und Vorfrühlingsbildern lebt seine
feine Kunst, die tiefe Stimmung einiachster Vorwürfe zu
ergründen und im Werke zu bannen. Otto Ubbelohdes
Landschaften geben sich nun ganz robust in der wuchtig
gehaltenen Ausarbeitung, dagegen sind Löfftz’ kleine ältere
Studien aus Bayern in Slimmung und Farbe voll aus-
geglichener Harmonie. Ph. Otto Schäfers Entwürfe zu
dekorativen Gemälden holen ihre Wirkung mit steter
Sicherheit aus einer eigenartigen Mischung zeitlicher und
persönlicher Stilarten heraus. An E. Harburgers lustigen

samen Art überall das Eigene mit großer Kraft
hervor, wie bei der Konstruktion der Fenster,
der Gestaltung des Portals. Auch auf die farbige
Erscheinung ist ein besonderer Wert gelegt
worden. Ein helles, vornehm leises Grau bildet
stets bei Messels Bauten den Grundton, in den
sich das weiße Fenstergestänge reizend und
leicht belebend einfügt; später wird die Patima
der Kupferdächer einen frischen Ton hinzutun,
der heute noch fehlt. Man kann die Farb-
stimmung Messelscher Bauten vielleicht mit dem
empfindlichen Geschmack in der Farbe der
heutigen männlichen Kleidung vergleichen. Sehr
lebensvoll wirkt der rauhe Muschelkalk des
Vorderbaues über einem schmalen, ein wenig
harten Granitsockel, und der Turm wird
wieder durch den helleren Tuffstein vom Haupt-
bau abgehoben und weist schon in seiner Färbung
auf die lichten Mauern des Theaternachbarn
hin. Das große Galeriegebäude ist aus Spar-
samkeitsgründen verputzt.

Die weitere Ausgestaltung des Platzes, an
dem der Bau Messels liegt, wird ihn noch
besser als heute zur Geltung kommen lassen;
dabei soll dann auch das Landes-Kriegerdenkmal
eine andere Stelle erhalten.

Münchener Brauhaustypen hat man trotz der manieriert
breiten Charakterisierung doch seine Freude. Ein Porträt
einer jungen Mutter von Melchior Kern überrascht durch
seine reizvolle Anmut, die die naheliegende Gefahr süss-
licher Schilderung fein vermeidet. Auch Paul Meyer-
Mainz, Schmoll von Eisenwerth, Hermann Bahner,
Luise Kurtz und Judith Köhler-Exter sind mit guten
Arbeiten vertreten. Aus der Gruppe der einheimischen
Darmstädter ragt diesmal Richard Hölscher, der aus-
gezeichnete Bauernmaler, mit besonderer Kraft hervor. Seine
oberhessischen Frauen und Mädchen mahnen in der tiefen
einfachen Charakteristik an die grosse Kunst des früh-
geschiedenen Darmstädters Heinz Heim, und auch Leibis
Name wird dem Beschauer lebendig, wenn er vor Hölschers
letztes Interieurbild „Näharbeit“ tritt. J. V. Cissarz gibt
wieder Proben seiner aus einer ausgeprägt koloristischen An-
schauung und Auffassung geschaffenen Nordseelandschaften,
Adolf Beyer, der verdienstvolle Organisator der Vereinigung,
ein paar flott hingesetzte Blumenstücke und im Eindruck der
Wirkung besonders frisch erfasste Landschaften aus dem
Spessart. Anna Beyer zeigt ein lebendiges Mädchenbildnis
in Pastell, und August Wondra bekundet in neuen Oden-
waldstudien eine sicherere Beherrschung der Farbe, die darum
auch freier und kühner verwertet ist. Aus der Zahl der
übrigen, die alle zu benennen den diesem kurzen Bericht
gewährten Raum überschreiten hiesse, seien noch A. Hart-
mann, C. Kempin, Leo Kayer und W. Bader her-
vorgehoben.

In der Plastikabteilung ist die Beschränkung auf hessische
Aussteller aufgegeben worden, um endlich einmal eine
ganze Reihe von hier noch unbekannten auswärtigen Bild-
hauern im Werk bekannt zu machen. Die Absicht ist, wie
die umfassende Beteiligung beweist, gut erreicht. Bedauer-
lich ist das Fehlen Ludwig Habichs, der in einer hessischen
Ausstellung unbedingt zu Wort kommen müsste. In Daniel
Greiners neuen Arbeiten spricht die energischere formale
Behandlung für die Fortbildung eines in rastlosem Bemühen
voranschreitenden Könnens, und in Luise Staudingers
Kollektion flotter Kleinplastik erfreut die Erkenntnis einer
nun zu völliger Sicherheit der Mittel gediehenen Kunst.

W.

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