Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

DOI Heft:
Heft 4
DOI Heft:
Heft 5
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0217

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Monatliche

des Verbandes der Kunstfreunde

Mitteilungen

in den Ländern am Rhein. -

Mai 1906.

AM 5. MAI DIESES JAHRES

hat zu Köln im Beisein des hohen Protektors
die feierliche Eröffnung der von unserm Ver-
bände veranstalteten Deutschen Kunstausstellung
stattgefunden. Die Tageszeitungen haben so
ausführlich über den festlichen Verlauf der
Eröffnung, des Festmahls und des Begrüßungs-
abends im Gürzenich berichtet, daß wir uns
hier darauf beschränken dürfen, die gedanken-
reiche Festrede unseres verehrten Altmeisters
Thoma wiederzugeben:

„Es ist immerhin eine gewagte Sache, wenn
ein Vertreter der stummen Künste vor einer
so erlauchten Versammlung das Wort ergreift,
jedoch die Umstände, die das Leben herbei-
führt, sind gar vielgestaltig, und man wird
durch dieselben oft auf einen Posten gestellt,
dem man sich nicht entziehen darf, und dann
mag man sich mit dem Spruche helfen: „So
gut als ich kann!“

Bei diesem Feste, das der bildenden Kunst
gilt, fällt auf mich die Alterspflicht, ein paar
Worte zu sprechen als Ausdruck des Dankes,
welchen die Künstler den Kunstfreunden in den
Ländern am Rhein darzubringen haben. Den
Kunstfreunden in den Ländern am Rhein und
weiter hinaus allen deutschen Kunstfreunden,
die Förderer sind der Erhaltung und immer
bessern, schönem Ausgestaltung der Kultur
unseres Landes durch die Kunst.

Daß unsere Vereinigung eine solche der
Kunstfreunde genannt wird, hat mich als
Künstler gerade sehr gefreut, und ich hoffe,
daß durch diese Verbindung manche Einseitig-
keit, wie sie sowohl in Künstlervereinigungen
wie auch in Kunstvereinen sich heraussteilen,
hinwegfällt.

Die Verfassung des Verbandes räumt ja den
Künstlern das größte Recht in den Veranstal-
tungen ein, und wenn doch bei empfindsamen
Künstlerseelen über den Titel Zweifel bestehen

sollten, so möchte ich dieselben dadurch unter-
drücken, indem ich frage: „Ja, wer ist denn
ein größerer Kunstfreund als der Künstler selber?“
Man weiß ja, wie gar oft er manches, was im
Leben auch angenehm ist, dieser Kunstfreund-
schaft zum Opfer bringt.

Dann dürfte auch die Frage aufgeworfen
werden, ob nicht die Kunstfreunde vor den
Künstlern in der Entwicklung der Menschheit
dagewesen sind, denn man nimmt an, daß die
Kunst aus einer Sehnsucht entsteht, die als
Ursprünglichkeit im Wesen des Menschen be-
gründet ist und die ihm den Zwang auferlegte,
zu suchen in all dem Dunkel der Gefühle von
Lust und Schmerz, die ihn als ihren Spielball
haben und drücken, denen er sich unterworfen
fühlt, zu suchen, ob er nicht all dieser ver-
worrenen Gefühle Herr werden könne dadurch,
daß er sie bannt, feststellt, formt, ihnen eine
Tätigkeit entgegensetzt, die in seinem innersten
Wesen herangewachsen ist, für die er immer
und immer nach Ausdruck suchen muß. So
ist vielleicht gerade aus der Sehnsucht der
Kunstfreunde heraus erst nachher der Künstler
entstanden. Wir wissen ja auch immer noch
nicht, war zuerst das Huhn oder das Ei vor-
handen. Der Spruch: „Und wenn der Mensch
in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu
sagen, wie ich leide“, drückt das Wesen der
Kunst in tiefster Art und vollständig aus.

Die Kunst ist geistige Befreiung von den
Banden der Materie, in die wir verflochten sind,
ein Gott gab es uns zu sagen, wie wir darunter
leiden, und wir dürfen hinzufügen, auch wie
wir uns freuen. Denn Freud wie Leid findet
ihren verklärten Ausdruck durch die Kunst,
verklärt, weil sich in ihr der Menschengeist
spiegelt, die Formen unseres Seelenlebens.

Natürlich spreche ich hier von allen Künsten,
von den redenden, singenden und klingenden;
 
Annotationen