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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 2
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Oertel, Richard: Karl Haider
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0102

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Karl Haider. Herbstlandschaft.

ARL HAIDER.

Von Dr. R. OERTEL.

Auch im Reiche der Kunst soll man den
Tag nicht loben oder schelten, bevor es
Abend geworden ist. Bei manchem ihrer Jünger
scheint die Sonne am Mittag des Lebens hell
und warm, bis unerwartet Gewölk auftaucht
und nach und nach den ganzen Himmel um-
zieht. Bei anderen wieder bricht das himm-
lische Licht erst zu später Nachmittagsstunde
in voller Glorie durch und umsäumt dann
golden die letzten Überreste der Wolken, die
vom Morgen an schwere Schatten auf die sorg-
sam bebauten Fruchtfelder warfen. Jedes Zeit-
alter regsamer Kunstbetätigung hat solche Bei-
spiele. In dem unsern gehörte neben Böcklin,
Thoma und manchen anderen auch Karl
Haider zu der Reihe langverkannter Künstler,
denen erst nach jahrzehntelangem Ringen die
wohlverdiente Würdigung zuteil wurde.

Es ist ein besonderer Anlaß, dem trefflichen
Meister, der immer so still und bescheiden
durchs Leben ging, Worte der Huldigung zu
widmen: am 6. Februar 1846 geboren, begeht

Haider in diesen Tagen seinen sechzigsten
Geburtstag.

Haiders Lebensgang war einförmig und zum
großen Teil nicht eben freundlich. Von einer
sechsmonatigen Studienreise nach Italien (1874)
abgesehen, in deren Verlaufe er mit seinem
jungen Weibe köstliche Tage in Böcklins
florentinischem Heim verbrachte, ist Haider
kaum über die oberbayrische Heimat und die
angrenzende Bergwelt Tirols hinausgekommen.
Das häusliche Glück seiner Jugendjahre wurde
von den Sorgen des Lebens beschattet und fand
durch den frühzeitigen Tod der geliebten Gattin,
einer herrlichen deutschen Frauenblüte, ein jähes
Ende. Wer die Selbstporträts des Künstlers ge-
sehen hat oder den hochaufgewachsnen Mann
mit dem von wallendem Bart umfaßten, ener-
gisch und doch wieder weich modellierten Kopfe
und dem Kinderblick der sinnenden Augen selbst
kennt, dem wird schon der leise melancholische
Zug in dem sympathischen .Antlitz verraten
haben, daß er sich nicht ohne bittere Kämpfe
und herbe Erfahrungen zu der freien Höhe
seiner Meisterschaft emporgeschwungen hat.

Auch der künstlerische Entwicklungsgang
ist bald erzählt. Haider ist in keiner Schule

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