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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Kromer, Heinrich Ernst: Schultze-Naumburg: "Kulturarbeiten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0257

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SCHULTZE - NAUMBURG:

„KULTURARBEITEN“.

Von HEINR. ERNST KROMER.

Wenn man auch zugeben muß, daß Sitte und
Unsitte, Fug und Unfug ihre Zeit haben und
sich ausleben müssen, bis andere sie ablösen,
so möchte man doch wünschen, daß diese Bücher,
die ihr Verfasser mit so großem Recht Kultur-
arbeiten heißt, schon vor einigen zwanzig, fünf-
undzwanzig Jahren erschienen wären. Man lebt
eben, trotz aller Überzeugung von der Notwendig-
keit oder der Unabänderlichkeit der Entwicklung,
doch des schönen Glaubens, daß Vieles, was uns
plagt und bekümmert, nicht hätte sein müssen
und sich zum Erfreulichen gewandt hätte, wenn
der Prediger und der Prophet früher, will sagen:
rechtzeitig aufgetreten wäre. Und in der Sache,
von der hier die Rede sein soll, wünschte man
dies vornehmlich. Denn es ist keine Freude,
beinahe auf Schritt und Tritt an dem Sinnes-
organ verletzt und gekränkt zu werden, ohne
dessen fortwährende Wachsamkeit wir eben auf
Schritt und Tritt stolpern oder sonstwie Schaden
nehmen würden. Und weil wir Kulturmenschen,
wie wir uns so eitel nennen, gerade das Auge
so sehr bilden und verfeinern, gönnten wir ihm
gerne die edelsten Genüsse. Selbst wo man uns
mit der Ausrede kommt, die Lebenshaltung eines
Volkes, im Mittel gerechnet, verlange dieses oder
jenes bescheidene Maß als etwas Notwendiges,
da noch werden wir indigniert und brummen
etwas von Armuts- und Bettelansichten. Was
aber das Traurigste ist: wo man uns Dürftigkeit

vorlog, da war Reichtum, Schönheit, Behagen
und es hätte nur einigen guten Willens bedurft,
so wäre uns dies erhalten geblieben. Und wo
das Vorbild wirklich weichen mußte, da war
nicht unabänderlich verlangt, daß das Nachbild
— wenn ich so sagen darf! — weniger schön
als jenes werden mußte; oder vollends häßlich,
wie es überall geschehen ist. Auf diese Weise
ist die Armut allmählich geschaffen worden;
eine Dürftigkeit für das Auge wie für das Herz,
die uns gar nicht mehr an Schönheit und Reich-
tum glauben läßt, weil das Auge, das sie täglich
sehen muß, ein mißtrauischer Realist ist und
sich nicht will täuschen lassen.

Schon um diese Verarmung, ja diese ziel-
bewußte Auspowerung unseres Volkes zu ver-
hindern, wünschten wir, daß Schultzes „Kultur-
arbeiten“ schon vor einem Vierteljahrhundert
erschienen wären. Gegen diese nämlich sind
sie vorzugsweise gerichtet, und es beweist wirk-
lich, wie ungewöhnlich reich an Architektur-
schätzen wir waren, daß der Verfasser heute noch
so viele schöne Beispiele im Bilde vorführen
kann, die er geschützt und erhalten sehen möchte.
Vor 25 Jahren aber begann die Verwüstung; hier
die Zerstörung des Schönen, dort der Aufbau
des Häßlichen. Nun: mit dem Toten finden wir
uns ab; mit dem Lebenden aber, das das Häß-
liche ist — mit dem müssen wir leben und
umgehn! . .

Von den „Kulturarbeiten“ liegen mir vier
Bände vor: Hausbau; Gärten; Neue Bilder von
Gärten; und Dörfer und Kolonien. Zwei davon
sind bereits in zweiter Auflage erschienen; auch
hat der „Kunstwart“, in dessen Verlag (Gg. D.

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