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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Die Pferde auf der Bodenkammer: eine Rheinsage
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Poppelreuter, Josef: Wilhelm Leibls "Frauen in der Kirche"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0198

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Alte Giebelhäuser in der Strassburgergasse (Köln).

dem Stall die Bodentreppe hinauf bis unters
Dach, als daß ich glaube, meine Frau käme
aus dem Grabe wieder.

WILHELM LEIBLS „FRAUEN
IN DER KIRCHE“.

Von JOSEF POPPELREUTER.

Auf der Lenbach-Gedächtnis-Ausstellung in
München konnte man ein Porträt des Fräulein
Josefine Lenbach von 1864 bewundern. Es schien
mir einer der glänzendsten Belege dafür, mit
welcher Eindringlichkeit der Meister seine Rem-
brandtstudien betrieben hatte. Schritt für Schritt
mußte er ihm gefolgt sein. Welch ein Weg
von einer Madonna des Raffaeliten Overbeck
bis zu dieser Porträtleistung Lenbachs. Man
kann das Stück mit seiner Jahreszahl als einen
Markstein herausgreifen.

Auf der Jahrhundert-Ausstellung sieht man
deutlich: die 60er und beginnenden 70er Jahre
sind die Zeit des wieder erreichten Anschlusses
an den reifen malerischen Stil des XVI. und XVII.
Jahrhunderts. Das Streben der Schack, den
Hochgang der europäischen Kunstsammlungen
auszuschöpfen durch die Beauftragungen zum
Kopieren alter Meister, hatte hierzu einen er-
heblichen Anstoß mit gegeben.

Wenn jener Lenbach, der bei dieserlei Lei-
stungen der 60er Jahre stolz empfinden mochte,
daß die Altmeister keine Geheimnisse der Pinsel-
führung mehr für ihn hatten, sich unter den
Talenten seiner Umgebung umschaute, so konnte
er einen um 10 Jahre jüngeren finden, dem
die Natur die gleiche Anlage zur souveränen
Herrschaft über das Technische in die Wiege
gelegt: Wilhelm Leibi, unsern rheinischen

Landsmann.

Wie er das gesagt hatte, da ge-
schah unten ein schweres Gepolter,
deutlich wie der Schritt von Rossen
auf dem Holz der Treppe; und ob-
wohl er glaubte, dies alles wäre nur
ein fürchterlicher Traum, wie sie an
seinem Zimmer vorbei mit schweren
Hufen auf den Söller stiegen: lief er
des Wortes eingedenk hinunter und
fand Richmondis erschöpft bei ihrer
Leuchte vor seiner Türe hocken. Da
trug er sie auf seinen Armen in das
Haus und weinte heiße Tränen und
wollte nicht das Wunder glauben, bis
an dem Morgen die erste Sonne in die
Kammer kam und Richmondis zwar
zum Tode blaß doch atmend in den
Kissen lag. Sie lebte auch danach
noch lange Zeit und war den Armen
freundlicher gesinnt als je zuvor, nur
daß sie nicht mehr fröhlich wurde.

Die Pferde mußten mit einem hohen Gerüst
an einem Flaschenzug herabgelassen werden,
und zum Gedächtnis ließ der Ritter ihre Köpfe
in Holz geschnitten an das Bodenfenster stellen.

Man erzählt viel von den Gegensätzen der
beiden; sie sind allzu natürlich: die Kunst-
geschichte hat solcher Momente viele, wo hoch-
begabte Rivalen, die im Begriff sind, irgend-
welchen Entwicklungsepochen die letzten ab-
schließenden Höhepunkte zu geben, dabei Zu-
sammenstößen. Es geht schon aus Leibis
Jugendzeichnungen hervor, daß er mit großer
Leichtigkeit den Kampf mit dem Technischen
bestand. Zeichnungen des Zwanzigjährigen lassen
kaum mehr eine höhere Feinheit des Stifts zu.
Für das Jahr 1866 ist das Porträt des Vaters im
Kölner Museum fast ein stilistisches Rätsel. Der
Zweiundzwanzigjährige hat alle Feinheiten des
Pinsels bewältigt, ein unverkennbar persönlicher
Stil steht fertig vor uns. Schon hier kann man
aber sehen, mit welch scharfem Blick der Jüngling
den malerischen Geheimnissen der alten Meister
nahe gerückt war. Die feine Behandlung des
Fleisches und des Haars, das Kolorit haben
ihren Anschluß nicht in der damaligen
Akademiekunst, sondern bei van Dyck, wenn
auch zu leise, um nicht eine völlig persönliche
Eigenart bestehen zu lassen; wie denn auch
der edle Ausdruck des Alters, der das Porträt
auszeichnet, der Niederschlag der Bewunderung
ähnlicher Porträts des van Dyck sein wird.

Indes wie sehr Leibi über den Stil dieses
Porträts hinaus das Malerische noch steigerte
bis zur schweren Erkenntlichkeit derselben
Meisterhand, hinaus auch über das, was ein
Lenbach bei dem späten Rembrandt gefunden,
kann uns bekanntlich keine seiner Arbeiten
besser lehren, als das Porträt des alten Pallen-
berg. Er hatte diese radikale malerische Auf-

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