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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Die Briefe der Erzherzogin
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Hamann, Richard: Der Impressionismus in Leben und Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0045

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DIE BRIEFE DER ERZHERZOGIN.

sein mit jenen Geistern, die schon bei der Suppe
in die Fragen der Menschheit geraten und nach-
her bei den Früchten den Weg aus dem tief-
gründigen Altertum nicht wieder zurückfinden.
So war auch jener Herr von Seeland über dem
Gründer der sogenannten „Albertina“, dem Mahl
und einigen guten Weinen tief in die Mysterien
von Samothrake versunken, und als seine Tochter
und Gastgeberin die Geladenen zum Kaffee in
das Lusthaus des Gartens bat, war er in diesem
nach langer Sitzung erlösenden Auszug der
Hintermann, den nichts mehr an die Sinnen-
welt fesselte als einzig die Empfindung, sehr
viel Flüssigkeit im Leibe zu haben. Als sich
vor ihm eine schöne Platane erhob, tat er sich
keinen Zwang mehr an, den Überfluß laufen zu
lassen — zum Entsetzen aller Damen; denn
gemalt war die Platane, dahinter er sich ver-
borgen glaubte, gemalt so wie der ganze Garten
mit dem Lusthaus. Nicht anders mag jener
tapfere Graf Terzi in das Verbrechen gegen
Ew. Liebden kurfürstliche Hoheit geraten sein;
ich glaube nicht, daß ihn nach einer langen
Wagenfahrt Ew. Liebden kurtriersche Landes-
farben noch erst zu reizen brauchten. Wenn
übrigens besagte Landesfarben auch gelitten
haben sollten, was bei dem Regenwetter nicht
wahrscheinlich ist: ich glaube nicht, daß Ew.
Liebden und des kurtrierschen Fürstentums
Bestand im Ernst solcherart gefährdet werden
kann, sonst möchte ich wohl raten, schon der
Hunde wegen die Landesfarben an den Schilder-
häusern und Grenzpfählen auszulöschen.“

Dem Grafen Terzi de Sissa aber schrieb sie
ein Billett wie folgt: „Ich höre, daß Sie auf
eine ebenso eigentümliche wie unpassende Art
einen Krieg gegen die kurtrierschen Landes-
farben begonnen haben. Weil dabei aber keine
Schlacht, nur ein Hut zu verlieren ist, möchte

DER IMPRESSIONISMUS IN
LEBEN UND KUNST.

Von R. HAMANN.

I.

Wer das Wort Impressionismus hört, denkt
wohl zunächst an einen eigentümlichen Stil in
der Kunst, ja zuallernächst in der bildenden
Kunst. Wenigen dürfte bewußt sein, daß die
eigentümlichen Tendenzen, die wir als Impres-
sionismus in der Malerei kennen, nicht viel
mehr als ein Symptom sind für etwas viel All-
gemeineres, das ganze Leben Durchdringendes
und Bedingendes, einen Stil des ganzen Daseins,
einen Habitus einer Menschheit und, was uns
am interessantesten ist, der letzten Zeit, der
Moderne.

Das Bedürfnis, sich über diese Form des
Lebens klar zu werden, ist vielleicht ein Zeichen,

ich wohl raten und auch bitten, die Waffen
diesmal einzustecken und davonzulaufen. Was
soll das für ein Krieg sein, wo Eure drei Batail-
lone derartig gegen das kurtriersche Fürstentum
gezogen kämen! Im übrigen verlangt mich sehr
zu spüren, was Euer Herr, mein kaiserlicher
Bruder, für mich Euch aufgegeben hat.“

Nach diesem nicht unbedenklichen Billett
blieb dem Grafen Terzi de Sissa, der sich unter-
dessen im Stockhaus für einen langen Auf-
enthalt eingerichtet hatte, nur die Pflicht, die
Erzherzogin vor der weiteren Verfolgung eines
so delikaten Briefwechsels zu bewahren. Er
ließ also den Hofkriegsräten durch ein nicht
eben heimliches Laufschreiben sagen, daß man
zum selben Abend alles für seine Flucht vor-
bereiten und ihm den Geheimrat Metternich als
Führer zusenden möge, damit er ihrer scharfen
Obhut entginge. Metternich, der wie ein guter
Spieler nur Trumpf zu ziehen pflegte, wenn er
der anderen Stiche sicher war, hatte in guter
Erwartung den Kutscher mit dem Wagen des
Grafen schon vorausgesandt nach Andernach,
wo das kurtriersche Fürstentum zu Ende war.
Er selber fuhr zum Abend am Stockhaus vor,
der kurfürstliche Leibdiener sprang vom Bock
und half dem Fremden, der schon seit einer
Viertelstunde reisefertig in dem Hof hin und
her gegangen war, in den Wagen; und so ging
endlich diese Flucht vonstatten, worauf der
oberste Gerichtshof des Landes samt einer neu-
gierigen Bürgerschaft seit Monaten gewartet
hatte, der Hofkriegsrat mit Ungeduld und auch
Verzweiflung, die Bürger mit einer immer
größeren Lustigkeit, die am andern Morgen
wie ein helles Strohfeuer durch die Rheinstraßen
sprang und noch nach Jahren wieder zu brennen
anfing, wenn ein Schalk in die Asche seiner
heiteren Erinnerung blies.

daß sie aufgehört hat, die bestimmendste Macht
des Wesens unserer Kultur zu werden. Aber
dies Bedürfnis ist da, und es knüpft naturgemäß
dort an, wo die Karten am offensten liegen, wo
jedermann glaubt, doch schon einigermaßen
bekannte Phänomene zu treffen, an die Malerei.
Was bedeutet Impressionismus in der Malerei?

Zunächst eine besondere Ansicht der Welt,
die wir die malerische nennen, im Gegensatz
zu einer plastisch-linearen, eine Ansicht, die
keinen Wert legt auf die Deutlichkeit der Er-
scheinung, auf die Genauigkeit, mit der an
einem Gegenstand alle Teile und Einzelheiten
wiedergegeben und erkennbar sind, und gar nicht
verlangt, daß ein Gegenstand überhaupt als
greifbare Form, als körperliche Realität erfaßt
wird. Versuchen wir, uns psychologisch zu
besinnen, was eine solche Malerei und ein
solches Sehen damit aufgeben, so finden wir
zweierlei: Einmal will man im Bilde, im bloßen

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