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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 5
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Schäfer, Wilhelm: Starke Talente: in der Ausstellung des Verbandes der Kunstfreunde zu Köln
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Schur, Ernst: Dichter und Rezitator
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0230

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STARKE TALENTE.

Kornfeld, nicht unübel zu Steinhausen stände.
Stuttgart hat in H. Brühlmann eine starke
Begabung, weniger wegen einem merkwürdigen
Bildnis vor waschblauem Grund, als wegen
einer Schweizer Mittelgebirgslandschaft von
großer Reinheit der Töne, die sich durchaus
als Gegenstück zu Haueisens „Frühling“ be-
hauptet. Ein anderer Stuttgarter, Karl Caspar,
interessiert mit einer nicht ganz kräftigen,
aber tapfer und reinlich gemalten Flora. Ori-
ginell wie immer im Motiv, aber in der Farbe
feiner als sonst ist Neuenborn in seinen
„Pinguinen“. Einen schönen Beschluß bildet
M. H. Steinhausen, die Tochter des Frank-
furter Meisters, mit einem grünblauen Wiesen-
stück.

ICHTER UND REZITATOR.

Von ERNST SCHUR.

Seit einiger Zeit ist es üblich, der naiven
Sensationslust des Publikums damit entgegen-
zukommen, daß man Dichter in Person dem
Publikum vorstellt und diese ihre Werke vor-
tragen läßt. Ganze Vereine sehen in der Be-
friedigung dieses Triebes ihren Lebenszweck,
ihre Daseinsberechtigung. Es ist dies eine Be-
gleiterscheinung unserer an Popularisierungs-
wut krankenden Zeit. So aufgeklärt sie sich
auch gebärdet, sie unterscheidet sich in nichts
von der kleinstädtischen Vereinsmeierei, die
wir bereitwillig belachen. Und die Selbst-
gefälligkeit der Dichter gestehen wir es
offen — leistet diesen Instinkten nur zu gern
Vorschub. Bei diesen Experimenten mit „leben-
digen Dichtern“ sind, wie vorauszusehen, fast
immer unliebsame Überraschungen zutage ge-
kommen. Allerorten machte man trübe Er-
fahrungen. Und man gestand sich nicht ein,
daß gerade die künstlerische Seite unbefriedigt
blieb. Man diente damit absolut nicht der
Sache. Oft war das Resultat für den Dichter
ein betrübendes, ja lächerliches. Entweder
las er zu leise, oder zu monoton, oder zu
„stimmungsvoll“, oder er verletzte durch
affektierte Allüren, die man — wäre es nicht
ein Dichter — einem künstlerisch Ungebildeten
übelnehmen würde. So aber ist es: „berech-
tigte Originalität“.

Und das Publikum? War es gut erzogen
(oder blendete der Name), so ertrug es die
Langeweile mit Geduld. War der Autor un-
bekannter, so rückte es auf den Stühlen, ge-
brauchte die Taschentücher und erzählte sich
Neuigkeiten. Trug der Autor dann unerhörte
Selbständigkeiten vor, so lachte es. Erst ver-
steckt. Dann immer toller. Schließlich wirkte
das so ansteckend, daß aus der ernsten Vor-

So enthält dieser Saal der Kölner Ausstellung
ein gutes Teil der malerischen Hoffnungen in
den Ländern am Rhein; und wenn man an-
nehmen darf, daß ihrer einige noch im Ver-
borgenen am Werke sind, so können wir ge-
trost in die Zukunft sehen. Wo Thoma, Stein-
hausen, Trübner, Schönleber, Dill, Bochmann,
Haug die alte Garde bilden, wo Bohle, Alt-
heim, Janssen, Schreuer, Sattler, Seebach und
wieviele noch mitten in mannhafter Arbeit
stehen, wo solche Jugend nachdrängt: da ist
nicht nur eine malende Provinz; da ist wie
ehedem am Rhein eine Hauptstätte der deut-
schen Kunst. Was könnte es für uns Rhein-
länder Schöneres geben, als ihr mit Händen
und Herzen beizustehn? S.

lesung eine urkomische, erheiternde Sitzung
wurde. Ich habe Leute dabei so herzhaft
lachen sehen, daß ich ihnen nicht böse sein
konnte. Und schließlich lachte man mit, denn
auch das ist ja ein Erlebnis. Das Publikum
ist schließlich mehr als eine stumpfsinnige
Klatschmaschine und ist nicht nur dazu da,
vor S. M. dem „Tichter“ auf dem Bauch zu
liegen. Bestand dann der Dichter auf sich,
wurde er womöglich noch kühner, so war der
Eklat da. Das Publikum machte Radau, verließ
voller Entrüstung den Saal und man konnte
noch froh sein, wenn es an der Kasse nicht
das Eintrittsgeld zurückverlangte. Weshalb
auch nicht?

Jeder Leiter eines literarischen Vereins wird
davon ein Lied zu singen wissen. Und ich
beneide sie nicht um ihre Stellung. Was für
Vorwürfe werden ihnen Herr X. und Frau Y.
gemacht haben! Herr X. wird sagen: „Ich
bezahle hier drei Mark. Und Sie haben mir
versprochen, daß ich einen lebendigen Dichter
hören soll. Und nun servieren Sie mir einen
Menschen, den ich nicht verstehe.“ Und Frau
Y. wird sagen: „Bitte kommen Sie zu mir und
hören Sie bei uns zu Hause den kleinen Emil
vorlesen. Er kanns besser als Ihr Dichter.
Ist das eine Geschäftsführung? Haben Sie
schon einmal meine Klara den Monolog der
Jungfrau' oder ,Iphigenie' deklamieren hören?“

Zu zweit arbeitet diese Anschauung dem
Dilettantismus ganz erheblich in die Hände.
Dieser grassiert allenthalben immer unheim-
licher. Der Laie (er ist „unbefangen“) weiß
meist alles besser als der Fachmann.

Jede Kunst aber erfordert intensive Aus-
bildung. Also auch die Rezitationskunst. (Wir
haben uns nur zu sehr gewöhnt, nur an den
alten, öden Deklamationsstil zu denken; bilden
wir den „neuen“ aus!)

Wer sich mit Rezitation beschäftigt hat,
weiß, was es hier zu lernen gibt. Wer also

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