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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 4
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Klein, Rudolf: Die deutsche Jahrhundert- Ausstellung, [2]
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Hamann, Richard: Der Impressionismus in Leben und Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0205

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DIE DEUTSCHE JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG.

deutungsvollem Schwünge steigert und wieder
in anderen die Malerei nicht zu unterschätzen
ist. In der Komposition ist im Aufbau ein der
musikalischen Steigerung verwandter Zug, und
Laune, Humor und Ernst kennen bei der Typi-
sierung der Gestalten keine Grenzen der Er-
findungsgabe. Doch neben diesem Märchen-
Schwind sehen wir einen Dichter des Alltags,
der nicht selten unheimlich modern malte —
seine „Tochter Anna“ — freilich nur in der
Skizze, und der den Charme der Frau in der
Bewegung erfaßte wie kein Zweiter; gäbe es
Reizvolleres als den Tanzrhythmus auf dem
Bilde „Gesellschaftsspiel“? und wie flott und
geschmackvoll in der Farbe skizziert und wie
graziös suchen seine Töchter auf der „Land-
karte“, wie kernig sitzt ihr frischer Körper in
der bauschigen Krinoline und wie gut stimmen
in diesem Bilde die Töne zusammen. Und
dann die tastend-schüchtern malende „Herzogin
von Orleans“ und der „Abschied im Morgen-
grauen“. Der Fülle schöner Einzelheiten ist
kein Ende, mit denen dieser Meister spielend
uns beschenkte, und in Glück und Schwermut
scheiden wir und stehen, wie nach der schönsten
Stunde unseres Lebens, banger Ahnung voll,
sie möcht nicht wiederkehren und dieserart die
letzte sein . ..

Ist Schwind im Gefühl die stärkste Note
der damaligen Zeit, verdichtet sich in seinem
Werke die Summe all dessen, was im Streben
anderer vage irrlichtelierte — oft gar, man
denke an Rambergs „Froschkönig“, in ver-

DER IMPRESSIONISMUS IN
LEBEN UND KUNST.*

Von R. HAMANN.

II.

Die eigentümliche Kultur des Impressionis-
mus, seine Form bei scheinbarer Formlosigkeit
lernen wir wieder am besten in der Malerei
verstehen, zunächst in dem, was man Poin-
tillismus genannt hat. Die entwickelte impressio-
nistische Malerei vermeidet die großen zu-
sammenhängenden Farbflächen und die all-
mählichen Übergänge, das feine Vertreiben.
Vielmehr löst man eine Fläche, die von weitem
gesehen einen einzigen Farbenton repräsentiert
oder eine einzige Stelle in dem Zusammen-
hang einer Form, auf in eine Unzahl von
Flecken oder Pünktchen, sei es verschiedener
Nuancen einer Grundfarbe oder überhaupt ver-
schiedener Farbentöne. Die impressionistische
Theorie hat hier eine völlige Umwertung
klassischer Werte, eine Einführung einer ganz
neuen Empfindungsweise mit der Unverfänglich-
keit einer theoretisch-physikalischen Wahrheit
gerechtfertigt. Nach der herrschenden Theorie

* Siehe Heft i dieses Jahrgangs.

wandten Tönen — so verlegte sein Zeitgenosse
Rethel den Schwerpunkt ins Geistige; dessen
bedeutendstes Werk ist der Höhepunkt formalen
Strebens und dadurch die kraftvollste, genialste
Tat der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Leider
ist dies in der Ausstellung nicht ersichtbar und
gibt sie aus diesem Grunde ein falsches Bild
vom Wert der Persönlichkeiten. Rethels Werk
sitzt in Aachen auf den Wänden des Kaiser-
saals, das bedeutendste Werk deutscher Linien-
kunst nach Dürer, eine Schöpfung von eherner
Wucht und wahrhaft monumentaler Größe.
Mit 24 Jahren begann der Künstler diese Arbeit,
10 Jahre später verfiel er in Wahnsinn, sein
unvollendetes Werk einem Unzulänglichen über-
lassend. Was sonst an Mobilien von seiner
Hand existiert aus dem kurzen Zeitraum,
der zu schaffen diesem Genius vergönnt war,
reicht nicht ans Aachener Werk, abgesehen
von wenigen Totentanz-Blättern („Pest“ und
„Glöckner“). Von den hier ausgestellten Bruch-
stücken vermittelt einigermaßen eine Vorstellung
in der düsteren Wucht der starren Linie der
„Mönch am Sarge“, die kleineren Entwürfe stehen
den Nazarenern zu nahe, Studien sind kraftvoll
in der Anlage, aus allen spricht ein tiefer Ernst
und des Gedankens Stärke, der großzügige Ent-
wurf der „Justitia“ leider durch Kehrens Über-
malung bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Hier bricht die eigentliche Größe der kaum
erwachten deutschen Kunst jäh und plötzlich
ab, um erst viel später in Einzelnen wieder
aufzuflammen.

vom Licht sollen im weißen Lichte alle Farben
gemischt enthalten sein, woher denn die Forde-
rung an die Maler sich ergab, auch ihr Weiß,
ihr Licht als Komponente von verschiedenen
Farben sich auf der Netzhaut einigen zu
lassen. Nach Jules Laforgue ist es sogar das
Wesen impressionistischen Genies, diese feinsten
Farbentöne im weißen Licht wahrzunehmen.
Man geniert sich fast, den einfachsten Einwurf
zu tun, daß ja auch das Weiß, das der Künstler
von der Palette auf die Leinwand wirft, alle
Farben enthalten muß, wozu also der Umweg
über Rot und Grün und Blau und Gelb. Der
eigentliche Sinn dieser Malerei ist aber, gerade
zu verhindern, daß diese verschiedenen Farben
sich mischen. Durch diesen Pointillismus ist
es vielmehr möglich, einer im Zusammenhang
als ganzer und einer auftretenden Fläche ein
eigenes interessantes Leben mitzuteilen, eine
Vielfältigkeit, einen Reichtum farbiger Im-
pressionen, die doch nur ein Flimmern, etwas
Schwebendes, Rauhes im Ganzen ergeben, als
einzelne Punkte, als Formen für sich nicht
mehr zu erkennen sind. Der Impressionismus
darf es deshalb wagen, den Formenzusammen-
hang, das Motiv so einfach, nichtssagend als
möglich zu wählen (Trübner, Whistler). Durch

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