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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 4
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Hamann, Richard: Der Impressionismus in Leben und Kunst, [2]
DOI Artikel:
Schäfer, Wilhelm: Die Bischofswahl: eine Kölner Sage
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0211

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DER IMPRESSIONISMUS IN LEBEN UND KUNST.

Blüte erreicht hat, daß man von holländischer
Literatur sehr wenig, von holländischer Malerei
allgemein spricht. Die ganz ästhetische, die
rein sinnlichen Faktoren von Farbe und Licht
ausspielende Stillebenmalerei hat in Holland
ihren eigentlichen Boden, und zwar zur Zeit
der größten Blüte des holländischen Handels.

Ebenso ist von hier aus der Anteil, den das
Judentum an einer impressionistischen Kultur
hat, leichter einzusehen. Für den modernen
Impressionismus in Deutschland lassen sich
fast in allen Gebieten jüdische Vertreter auf-
zeigen, vom Kunsthändler anfangend bis hinauf
zum Philosophen. Bei der erschrecklich ge-
ringen Fundamentierung aller Rassentheorien ist
es auch hier mehr gefährlich als aufklärend, die
Frage zu beantworten, wie weit wir hier nur
Standes-, wie weit Rasse-Eigentümlichkeiten vor
uns haben. Noch weniger würde es der Er-
kenntnis oder Schätzung des Impressionismus
zugute kommen, würde man die Kultur des Im-
pressionismus allzusehr mit dieser Frage ver-
mengen. Denn es bleibt eine wichtigere Frage
übrig, vielleicht die wichtigste, die Beziehung
des Impressionismus zu einer Generation.

Der Impressionismus ist der spezifische Stil
des Alters. Gewisse als typisch für das Alter
geltende Züge sind dem Impressionismus durch-
aus verwandt: das Nachlassen des lang aus-
spinnenden Gedächtnisses, etwas Sprunghaftes,
Willkürliches im greisenhaften Denken und der
Konversation. An Stelle dieser Zusammen-
hänge tritt das, was die Psychologie freies (un-
angeknüpftes) Steigen von Vorstellungen nennt,
in Erinnerungen, die bis in früheste Zeiten
hinabtauchen. Das Alter gilt schon bei Homer
für geschwätzig oder gesprächig. Das Launische,
was alte Leute oft haben, und was sie den
Kindern anähnelt, eine gewisse Ungeduld, Rück-
sichtslosigkeit, verstärkt vielleicht durch das
Gefühl der Autorität, das Bewußtsein, auf Ach-
tung und Erfüllung seiner Wünsche Anspruch
zu haben. Anderseits zeigt sich gerade in der
Unfähigkeit, das eben Gesagte und Gehörte
festzuhalten, das eben Gewollte durchzuführen,
oft eine Überfülle von Einfällen und Erfahrungen,
und dadurch auch eine Überlegenheit im Ver-
stehen, ein schnelles Übersehen und eine Nei-
gung zur Skepsis, den Kopf zu schütteln, und
zur wohlwollenden Toleranz. Das Alter ist
selten noch enthusiastisch, dazu hat es eben
zu viel Erfahrungen. Es weiß, wie die Dinge
auch gegen den Willen der Menschen gehen;
daher haben alte Leute besondere Abneigung
gegen alles Rationalisieren und Zurechtmachen
und gegen Einseitigkeit. Und ihre Sprache, ihr
Ausdruck konzentriert ganz anders eine Summe
von Erfahrungen und Bedeutungen, als der
jüngere Hörer oft hat. Sie haben den Stil, zu
dem man erst reif werden muß. Alte Leute
reden auch gern in gewisser Feierlichkeit, mögen
die Worte nicht in wörtlicher, für das tägliche

Leben ausreichender Bedeutung gebrauchen,
das Entlegenste und Nächste drängt sich oft
in einem Worte, einem Satze für sie zusammen,
sie reden gern symbolisch — und die Hörer
sehen sie groß an. Die Sprache des alten Ibsen
nimmt diese Wendung ins Andeutende, Ge-
heimnisvolle, Typische zu gleicher Zeit, als er
tolerant über dem Leben steht, das er einst-
mals rationalisieren wollte. In dieser Sprache
des Alters liegt ein Höchstes von Inhalt und
von Kunst, wie es — verstanden — nur mit
Ehrfurcht aufzunehmen, und nur in gewisser
Schamlosigkeit nachzuahmen ist. Ja es ist
wohl so, daß der Impressionismus die ganze
Höhe und Reife seiner Prinzipien erst da ent-
faltet, wo er als Zeitströmung zusammenfällt
mit dem Stil des persönlichen Alters großer
Künstler. Dieser Satz würde seine eigentliche
Beleuchtung erst empfangen, wenn wir zeigen
würden, wie alle die meisten ganz großen Per-
sönlichkeiten im Alter impressionistische Züge
aufweisen, ein Plato, ein Shakespeare, ein Tizian,
und vor allem, was wir jetzt als Behauptung
aufstellen — daß es der Altersstil Goethes,
Beethovens und Rembrandts ist.

IE BISCHOFSWAHL.

EINE KÖLNER SAGE ERZÄHLT
VON W. SCHÄFER.

Die Domherren konnten sich in Koeln lange
nicht einigen, wen sie zum Bischof haben
wollten. Und weil zwei mächtige Herren zu-
gleich mit solchem Eifer danach strebten, daß
keinem von den beiden die Wahl zufallen konnte,
entstand viel Heftigkeit; bis Kaiser Karl in
Aachen davon hörte und einen raschen Ritt
nach Koeln antrat, den Streit zu schlichten. Als
er schon viele Stunden geritten war, kam er an
eine Waldkapelle, wo er nach frommer Art vom
Pferde stieg und eine Messe hörte. Da war
der Priester ein grobgebauter Mensch mit un-
geschickten Händen, so daß der Kaiser bei sich
dachte: wie kann ein Mensch so häßlich sein!
und daß er ihn nicht um sich haben möchte.
Dies aber waren nur verborgene Gedanken und
so erschrak er heftig, als der Priester den Meß-
diener um einer Unaufmerksamkeit willen er-
mahnen wollte und deshalb im Psalmenlesen
gerade seine Stimme hob, so daß gleich einer
Antwort auf die Gedanken des Kaisers die
Stelle kam, die in dem Buch gerade stand:
„Gott hat uns gemacht und nicht wir selber.“
Weil er den Kaiser, den er gar nicht kannte,
bei diesen Worten ansah, vielleicht in Sorge,
ob ihm das Ungeschick des Meßners aufgefallen
wäre: war es dem Kaiser nicht anders als ein
Wort vom Himmel, so daß er bis zum Schluß
der Messe in drückender Verwirrung saß und
nachher einen Gulden opfernd sich entfernte.
Weil ihn die Antwort getroffen hatte, stand er

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