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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Eine Blumenmalerin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0093

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H. Steinhausen.

M. H. Steinhausen.

Eine blumenmalerin

besonderer Art ist die Tochter Stein-
hausens. und es mag wohl eine der
innigsten Freuden an seinem Ehrentag gewesen
sein, wenn er in ihren Malereien ein Erbteil
seiner Kunst schön und eigen ausgebildet sah.
Nicht, daß sie im Technischen seine Schülerin
wäre; er hat zwar in den Randleisten zur
Chronika eines fahrenden Schülers, in manchen
Buchzeichnungen und Studien seiner Frühzeit
Blumen gezeichnet; aber gemalt hat er sie
meines Wissens nie und sicher nicht in der
farbigen Pracht seiner Tochter. Sein Erbteil ist
mehr innerer Art: einmal die Liebe und Ehr-
furcht vor dem Wunder jeglicher Natur, die
uichts zur dekorativen oder farbigen Wirkung
vergewaltigen kann, jeder feinen Linie und Ver-
schlingung vielmehr mit fast ängstlicher Treue
nachgeht; und dann jenes religiöse Weltgefühl,
^as kein Ding für sich selber betrachtet, sondern
m allem die geheimnisvollen Beziehungen zu
der irdischen Welt sieht, in der sich feingeartete
Menschen immer wieder staunend und schauernd
vor ihren Wundern und Rätseln finden. So
vermag diese Blumenmalerin niemals jenes klug
arrangierte Stilleben zu malen, das wir aus
allen Kunstvereinsausstellungen zu unserm
Schrecken kennen; ihre Blumen haben noch

Wurzeln in der Erde oder stehen im Wind,
und wenn es wirklich einmal ein Strauß im
Glase ist, so sind es Feldblumen. Das Schönste
aber sind ihre Wiesenraine, wo der erstaunte
Blick durch Hahnenfuß und Wiesenschaumkraut
tief in die grüne geheimnisvolle Welt der
Stengel und Blättchen hinein versinkt, in diese
feuchte, schattige, unergründliche Tiefe, daraus
die Blüten auf langen Stielen in den sonnigen
Himmel blühen; oder jene warmen Felsplatten,
vor denen sich die Glockenblumen im Sommer-
wind schaukeln; oder ein grüner Strauch, von
dem die gelben Blüten niederhängen. Manch-
mal gleitet der Blick über die Blumenköpfe
hinweg, weit über die Wiese hin bis an den
blauen Wald. Obwohl ihre eigenste Erfindung,
zeigen diese Blumenstücke als Teil einer Land-
schaft doch am meisten den Geist des Vaters.
Ihr eigener unantastbarer Teil ist die weibliche
Empfindung; denn so oft noch von Damen
Blumen gemalt wurden, immer waren es
schönere Vorbilder von männlicher Hand, die
sie mehr oder weniger gut erreichten. In diesen
Dingen aber lebt eine weibliche Hand, eine
Zartheit, die bei einem Mann mißfallen würde,
hier aber entzückt; zugleich mit einem graziösen
Geschmack, der namentlich in solchen Stücken
wie der umstehend abgebildeten Distel japa-
nische Feinheit erreicht. S.

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