DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:Rüttenauer, Benno: Vom Rhein zur Rhone, [2]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0110
Karl Haider. Gewitterlandschaft.
VOM RHEIN ZUR RHONE.
Von BENNO RÜTTENAUER.
II.
Und nun brauste der Nachtzug durch ein
enges Felsental, wo zwischen waldigen dunklen
Abhängen weiße Wände im Mondlicht schim-
merten. Es war das Tal des Doubs.
Der Fluß ist kanalisiert, er geht auf weite
Strecken mit dem Rhein-Rhonekanal zusammen,
„der den Rhein mit der Rhone und so die
Nordsee mit dem Mittelmeer, Rotterdam mit
Marseille in direkte Verbindung setzt“ — wie
man es auf der Schule gelernt hat, wo man
frühzeitig angeleitet wird, verständnislos mit
großartigen Phrasen um sich zu werfen. Die
Schule macht viele Dinge so übertrieben wichtig,
nur um selber im Augenblick sehr wichtig
zu erscheinen. Wenn dann über der groß-
sprecherischen Phrase die bescheidene Wirk-
lichkeit übersehen wird, was tuts; man hat
den Jungen imponiert.
Der Rhein-Rhone-Kanal aber hat durch die
letzte deutsch-französische Grenzregelung auch
von seiner wirklichen Bedeutung ein beträcht-
liches Teil verloren. Nach meiner Beobach-
tung — auf tagelanger Wanderung im Tal des
Doubs — führt der Kanal hier ein fast be-
schauliches Dasein, was wenig zum Gesamtbild
unserer Zeit, aber sehr gut zu der abgegrenzten
Idylle dieses Juratals paßt.
Der Doubs selber ist ein eigentümlicher
Träumer und Bummler. Nicht nur, daß er in
dem einsam stillen Tal gern in breiten Aus-
buchtungen verweilt und im Schatten der Erlen
mit der schlanken Nymphäa kost, die zwischen
hohen schwarzen Binsen versteckt mit ihrer
weißen Blütenhand nach dem goldenen Lichte
greift; er irrt sich auch im Ziel seines Wanderns
wie keiner seines Geschlechts. Lange strebt er
dem Rheine entgegen wie dessen Brüder alle,
die wilden Gesellen nördlich der großen Berner
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VOM RHEIN ZUR RHONE.
Von BENNO RÜTTENAUER.
II.
Und nun brauste der Nachtzug durch ein
enges Felsental, wo zwischen waldigen dunklen
Abhängen weiße Wände im Mondlicht schim-
merten. Es war das Tal des Doubs.
Der Fluß ist kanalisiert, er geht auf weite
Strecken mit dem Rhein-Rhonekanal zusammen,
„der den Rhein mit der Rhone und so die
Nordsee mit dem Mittelmeer, Rotterdam mit
Marseille in direkte Verbindung setzt“ — wie
man es auf der Schule gelernt hat, wo man
frühzeitig angeleitet wird, verständnislos mit
großartigen Phrasen um sich zu werfen. Die
Schule macht viele Dinge so übertrieben wichtig,
nur um selber im Augenblick sehr wichtig
zu erscheinen. Wenn dann über der groß-
sprecherischen Phrase die bescheidene Wirk-
lichkeit übersehen wird, was tuts; man hat
den Jungen imponiert.
Der Rhein-Rhone-Kanal aber hat durch die
letzte deutsch-französische Grenzregelung auch
von seiner wirklichen Bedeutung ein beträcht-
liches Teil verloren. Nach meiner Beobach-
tung — auf tagelanger Wanderung im Tal des
Doubs — führt der Kanal hier ein fast be-
schauliches Dasein, was wenig zum Gesamtbild
unserer Zeit, aber sehr gut zu der abgegrenzten
Idylle dieses Juratals paßt.
Der Doubs selber ist ein eigentümlicher
Träumer und Bummler. Nicht nur, daß er in
dem einsam stillen Tal gern in breiten Aus-
buchtungen verweilt und im Schatten der Erlen
mit der schlanken Nymphäa kost, die zwischen
hohen schwarzen Binsen versteckt mit ihrer
weißen Blütenhand nach dem goldenen Lichte
greift; er irrt sich auch im Ziel seines Wanderns
wie keiner seines Geschlechts. Lange strebt er
dem Rheine entgegen wie dessen Brüder alle,
die wilden Gesellen nördlich der großen Berner
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