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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 3
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Klein, Rudolf: Die deutsche Jahrhundert-Ausstellung, [1]: Klänge aus dem 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0134

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Die deutsche jahrhundert-

AUSSTEELUNG.

Von RUDOLF KLEIN.

I.

KLÄNGE AUS DEM 18. JAHRHUNDERT.
Wie mit den gedämpften Takten einer Fest-
musik, feierlich von verhaltenem Prunk und
dem Versprechen einer reichen Üppigkeit zu-
gleich, die Erwartung der Geladenen besänftigend,
um sie dadurch im Genüsse wachzuhalten:
setzt diese Ausstellung mit einer Folge alter
Bilder ein, die ihren Reichtum trägt in selbst-
verständlicher Gelassenheit. So mühelos ver-
fügten diese Künstler über den Kulturschatz
einer fruchtbaren Zeit, daß die Mache ver-
schwindet, das Leben unter ihrem Pinsel er-
wacht.

Da ist an erster Stelle Anton Graff, 1736 in
Winterthur geboren, gestorben in Dresden 1813.
Elegant, wo der Vorwurf es verlangt, doch nie
weichlich, der französischen Überkultur fern,
nach der er nicht schielt, ist er der rechte
Repräsentant des deutschen Rokoko. Seine
Porträtstudie der Königin Friederike Luise ist
ungemein lebendig; das hellblonde Haar, der
weiße Teint, die roten vollen Bäckchen, die
saphirblauen Augen, das kleine Näschen, der
üppig geschweifte Mund, alle diese Merkmale
sind so betont, daß der Kopf dieser sinnlich-
heiteren Frau als Zeittypus lebendig wird,
während die skizzenhafte Malerei mit dem kaum
angedeuteten Haar dem Bilde eine Frische
leiht, als sei es gestern unter der Hand des
Künstlers entstanden. Das Porträt der Herzogin
Philippine Charlotte ist malerisch nicht so fein,
aber ungemein scharf in der Zeichnung charak-
terisierend. Es handelt sich hier um eine
Dame in vorgerückten Jahren, und man be-
achte, um den Wert dieser Porträtkunst zu
ermessen, wie das Trockene, Pergamentartige
dieses klugen Kopfes zum Ausdruck kommt.
Die Haltung der im Sessel sitzenden Dame ist
ihrem wachen Blick angepaßt, und beinahe
scheint das scharfe, aber unmalerische Rot des
Atlaskleides auch in dieser Richtung Absicht.
An koloristischen Gegensätzen ist dieses Bild
reicher als die andern; aber eben darum nicht
so gut zusammengebracht, denn der tiefblaue
Baldachin, die hellgraue Zimmerferne, die dunkle
Pelzgarnitur kontrastieren einigermaßen. Das
Bildnis der Erbstatthalterin von Holland von
Joh. Friedr. Aug. Tischbein könnte an Auf-
fassungsvermögen als Gegenstück hierzu dienen.
Als Malerei wirkt es anfangs kraftlos, in den
Fleischpartien Verblasen, doch kommt den
Stoffen diese Zartheit nickt selten zugute; das
rote Seidenband zur Rechten, die gelbe Seide
des Fauteuils sind von mattem aber distin-

guiertem Klang und scheinen doch zu jener hohen
Grazie zu stimmen, mit der die junge schlanke
Herzogin den Finger an die Wange legt, bei
leicht geblähtem Nasenflügel, während die
Locke auf der Schulter die königliche Würde
noch zu heben scheint. Auch J. G. Ziesenis,
der in Kopenhagen 1716 geboren wurde, 1777 in
Hannover starb, ein Schüler der Düsseldorfer
Akademie, ist als Kolorist bemerkenswert. Der
blaue Sammet des Kleides einer „Herzogin
Auguste“ ist vorzüglich gemalt, desgleichen der
rot-violette des Fauteuils. Der Kopf ist aus-
drucksvoll aber in der Farbe ein wenig hart,
die Schattenpartien der linken Wange ziegelig
im Rot. Als Farbenkomposition aber reicher
als die vorigen und voller Tiefe.

Eignet den Künstlern dieser Zeit im Porträt
leicht ein höfischer Zug, was nur zu erklärlich
ist, so liegt Graff auch das Bürgerliche. In
diesem Sinne ist seine beste Leistung, über-
haupt als Malerei wohl sein bestes Porträt,
sein Selbstbildnis aus dem Jahre 1806. Da der
Kopf der neuen Mode nach ohne Perücke ge-
malt ist, bot die Form des nackten Schädels
dem Künstler eine dankbare Aufgabe. Die
Farbe ist in diesem Bilde nicht ohne Schwärzen,
aber pastös und weich aufgetragen, die Form
wirkungsvoll belichtet und fein modelliert.
Mehr durch die Auffassung denn als Malerei
interessiert das wenig umfangreiche Bild von
Graffs Frau und Tochter; es erinnert in seiner
Art an die auf Pergament oder Elfenbein ge-
malten Miniaturen. In dem Bildnis Zinggs
geht Graff bis zu einem Grade dem Luftproblem
nach, wie wir an der Belichtung der Bäume,
der Wolken und des Kopfes erkennen. Doch
kommt ein ähnliches Streben und wohl stärker
in dem Porträt des Baron Rohrscheidt zum Aus-
druck, das den bisher unbekannten, aus Schwerin
gebürtigen Johann K. Wilck zum Schöpfer hat.
In lebensgroßer Figur sehen wir auf dem Bilde
den etwas koketten Edelmann über den Markt-
platz schreiten. Die Häuserpartie in der linken
Ecke ist besonders luftig, der Himmel weich,
die Figur im Schreiten gut erfaßt. Die Malerei
des Kopfes gibt das Runzlige der Haut vor-
züglich wieder, wirkt aber doch nicht so frei
im Strich wie bei den besten Graffs, dessen
bekanntes Chodowiecki - Bildnis übrigens in
diesem Sinne durchaus nicht zu seinen besten
zählt. Ein ganz ausgezeichnetes Porträt aber,
trotz scheinbarer Härten, ist das eines jungen
Grafen Hochberg von Franz Krause d. Ä. Der
junge Aristokrat ist in blauem Rock, bei drei-
viertel Wendung aus dem Bilde, dargestellt und
der Kopf dieses Brustbildes ist als Malerei wie
im Ausdruck gleich hervorragend; man beachte,
wie der Pinsel die Form des Ohrs oder eines
Augenlides nachschrieb. Kolbe ist dagegen
trocken und Lampi ein Poseur, der rechte Hof-

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