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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Die Briefe der Erzherzogin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0044

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DIE BRIEFE DER ERZHERZOGIN.

Präsidenten betrübt zurück: Sein Herr sei ganz
benommen durch den gründlichen Ernst kur-
trierscher Rechtspflege. Er wolle sich der Auf-
sicht eines so gerechten Hofkriegsrates nicht
voreilig entziehen und in christlicher Geduld
seinen Spruch erwarten. So fiel mit einem
bösen Krach das letzte Türchen zu, durch das
die richterlichen Räte sich vor den rheinischen
Spottmäulern hatten retten wollen. Und nun
kam an den Kurfürsten Klemens Wenzeslaus
ein kaiserliches Handschreiben, wodurch der
Handel rasch zu einem politischen wurde; denn
obgleich als Vetter dem Kaiser Josef II. ver-
wandt, hatte sich der Kurfürst dessen Reformen
oftmals widersetzt, und so war dieses Schreiben
nicht eben sparsam mit seinem Hohn. Klemens
Wenzeslaus, der gerade sein neues Residenz-
schloß baute und überhaupt nicht ohne Gefahr
gestört werden durfte, wurde gleich aufs äußerste
gereizt und gab den Hofkriegsräten zornigsten
Bescheid, den Grafen seines Weges zu lassen!
Dagegen gaben die in einer juristisch gewundenen
Schrift die Unmöglichkeit zurück, in dieser Zeit,
da aus Frankreich allerhand bedrohliche Gerüchte
kämen, ein kurtriersches Gericht und also eine
kurtriersche Obrigkeit dem Gelächter eines
Volkes preiszugeben, das längst schon den gött-
lichen Ursprung aller weltlichen Autorität be-
zweifle. Es gab durch viele Tage ein Hin- und
Hergeschreibe, Sitzungen, Kommissionen und
Gutachten: es schien als sollte das kurtriersche
Regierungswerk über dem Hut des Grafen Zu-
sammenstürzen. Schließlich sandte der Kurfürst,
der nun schon mit in diese Zwickmühle ge-
raten war, seinen Geheimrat Metternich zum
Grafen, der ihm noch einmal um aller Autorität
der Welt willen und sehr verbindlich zuredete,
zu entfliehen.

Der Graf war gegen ihn wie ein feiner Welt-
mann zum andern; er versicherte ihn und den
Kurfürsten seiner Ergebenheit, aber als kaiser-
licher Gesandter könne er nicht einem Gericht,
das unter kaiserlicher Hoheit stände, davon-
laufen.

Indem unterdessen beinahe jede Post ein
Handschreiben des Kaisers gebracht hatte, worin
die Freilassung des Grafen gebieterisch gefordert
wurde, war das letzte in einem Ton gehalten,
wie wenn der Einmarsch der kaiserlichen Armee
bevorstünde. Der Hofkriegsrat wäre längst be-
reit gewesen, den ungebärdigen Grafen auf jede
Weise zu entlassen; aber nun war der Kurfürst,
durch den Ton des Kaisers aufs äußerste ver-
stimmt, in eine Hartnäckigkeit verfallen, die
von keiner Freilassung hören wollte und das
schlimmste Ende dieses rasch begonnenen
Handels befürchten ließ. Zum Glück besaß er
in dem Geheimrat Metternich einen Mann, der
die Diplomatie als ein Kunstspiel behandelte,
worin ein paar Frauenhände die Trümpfe be-
halten müssen. Diesmal gehörten sie der Statt-

halterin der Niederlande, Marie Christine, der
eigensinnigen Schwester ihres eigensinnigen
Bruders Josef II.

Metternich schrieb insgeheim an ihren Ge-
mahl, den Herzog Albert von Sachsen-Teschen,
der ein Bruder des Kurfürsten Klemens Wenzes-
laus war, eine ausführliche Darlegung des Streites
und seiner peinlichen Ursache: Er möge, um
der Ruhe des genugsam bedrohten Deutschen
Reiches willen, auf seine Gemahlin einwirken,
daß sie den ihr nicht unbekannten Grafen Terzi
von seinem Starrsinn abbringe. Der Herzog,
der als Prinz-Gemahl nicht sonderlichen Mut
bei seiner Gattin hatte, mußte eine milde
Stimmung abwarten, ehe er mit einem solchen
Anliegen vor sie kommen durfte. Es war eine
gute Dämmerstunde, als er mit dem Brief des
Geheimrats zu ihr ging; und obwohl sie zu-
nächst argwöhnte, daß er gegen ihr Verbot
doch wieder mit einer Handzeichnung eines
alten Meisters käme, blieb sie gemächlich
auf dem Polster liegen und erlaubte auch,
zwar etwas befremdet, auch wohl ein wenig
lüstern, die Kammerfrau hinauszusenden. Nun
war ihm, der solche Umständlichkeiten machte,
um Zeit zu gewinnen, der Brief zwar eine Er-
leichterung seines kitzligen Auftrages, aber er
wand sich doch so lange um das eigentliche
Verbrechen herum, daß es schließlich wie der
wohlüberlegte Witz am Schluß einer lustigen
Erzählung herauskam. Worauf die Erzherzogin,
die ebenso launisch wie zu tollen Lustigkeiten
geneigt war, in ein Vergnügen sondergleichen
geriet und, manches unbeholfene Wort der
Beichte unter hellem Gelächter vielmals wieder-
holend, ihrem Gemahl versprach, diesmal die
kurtrierschen und österreichischen Staaten trotz
einem so außerordentlichen Anlaß vor einem
Bürgerkrieg zu bewahren und den anscheinend
sehr bequemen Grafen seinem Winterschlaf im
Stockhaus zu entreißen.

Da sie gleich ihrem kaiserlichen Bruder
raschen Geistes und voll Einfall war, eine Erb-
schaft ihrer Mutter Maria Theresia, ging schon
am andern Tag ein Reiter mit Briefen nach
Koblenz ab, von denen der an den geistlichen
Kurfürsten zu Trier, ihren Schwager, nach aller-
lei verbindlichen Anspielungen eine damals viel
erzählte Geschichte folgendermaßen wiedergab:
„Ich weiß nicht, ob Ew. Liebden von jener
Damengesellschaft der gelehrten Friederike Brun
Kenntnis genommen haben, wo deren Vater,
Ew. Liebden Amtsgenosse Münter, ketzerischer
Bischof auf Seeland, sich ohne Bosheit arg
betrug; sonst möchte ich sie wohl zugunsten
meines Schützlings hier erzählen, sofern es mir
als einem Frauenzimmer verstattet ist, die nötigen
Ausdrücke aufs Papier zu geben. Ew. Liebden
werden die geistreichen Schriften der Friederike
Brun so wenig kennen wie die gelehrten Be-
trachtungen ihres Vaters, aber nicht unbekannt

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