Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

DOI Heft:
Heft 4
DOI Heft:
Heft 5
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0218

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
aber auch die bildende Kunst ist ja ein Deut-
lichkeitsmachen innerer Vorgänge, und sie be-
strebt sich, die Bilder der Wirklichkeit, wie sie
uns im Leben sowohl freuen wie oft auch
ängstigen, für das menschliche Auge zu ge-
stalten, wie ein Ruhepunkt in dem fließenden
Wechsel der Erscheinungen.

Die bildende Kunst kann ja freilich nichts
schöner machen, als es die Natur hervorbringt
— aber es ist dies auch nicht ihre Aufgabe —
sie gibt, wo sie vollkommen auftritt, das Bild,
wie es gesetzmäßig in der Menschenseele sich
gestalten muß, sie versucht es, uns in den
Besitz dieses inneren Bildes zu setzen, und so
darf man wohl sagen, alles künstlerische Formen
ist Veredlung unserer Seele, indem sie den
Trieben, die wir mit allen erschaffenen Krea-
turen gemeinsam haben, das Schaffen entgegen-
setzt, einer geistigen Tätigkeit, deren nur der
Mensch fähig ist, Ausdruck gibt. Die bildende
Kunst versucht es, die Bilder der Welt, wie
sie sich in der Phantasie, diesem Maschen-
gewebe der menschlichen Seele, gefangen haben,
festzuhalten.

So möchte ich sagen, daß das Hervor-
bringen des Kunstwerkes, dieses Lebenswerkes
der Menschheit, mir wichtiger erscheint, als
der Besitz der hervorgebrachten Werke, denen
ja doch immerhin die Mängel der Materie an-
haften, mit der die geistige Idee im Kampfe
gelegen hat, die zudem von ihrem Entstehen
an dem Zahn der Zeit anheimfallen.

Diese letzte Erwägung, zu der mich meine
Betrachtung geführt hat, soll aber ja niemandem,
der ein Kunstfreund ist, die Freude an dem
Besitze der Werke verderben oder ihn gar davon
abhalten, welche zu erwerben. Das wäre eine
gar schlimme Folgerung aus meinem Schluß-
sätze, und ich dürfte mir mit Recht die Un-
zufriedenheit der Künstlerschait zuziehen, wenn
derselbe von den Kunstfreunden in diesem Sinne
aufgefaßt würde. Nein, so ist es nicht gemeint,
und so erkläre ich jetzt, daß ich die Kunstwerke
denjenigen Schätzen zuzähle, die weder Rost
noch Motten fressen, denn es schwebt ein
geistiges Fluidum um diese Schätze, gewisser-
maßen ein Astralleib, der feinfühligen Geistern
sich offenbart; sie können so zu einem wahren
Reichtum werden, einem Lebensreichtum, der
auf einer Verfeinerung und Veredlung unserer
Sinne beruht.

Ein Land, eine Stadt, die recht viele Schätze
edler Kunst ihr eigen nennen, sind wirklich
reich, und die Sorge um die Mehrung und Er-
haltung derselben ist eine wichtige dankbare
Aufgabe.

Unsere Länder am Rhein von der Schweiz
bis Holland bergen gar viele Kunstschätze,
und wenn man diese Strecke durchwandert, so
könnte man wohl denken, das ist ja das Land
der Kunstfreunde, all die altehrwürdigen Dome
und Kirchen und Türme, die Ruinen, Zeugen
alter Pracht.

Wenn man auch manchmal einem altehr-
würdigen Stadttorturm eine bunte Kappe auf-
setzt und ihn dadurch verjüngen will, oder wenn
man bunte Glasfenster und farbenbunt dekorierte
Decken und Fliesenboden, die man nur noch
mit Filzsohlen betreten darf, in alte Ruinen
hineinsetzt, so ist dies ja doch nur einem ge-
wissen Übereifer in der Kunstfreundlichkeit zu-
zuschreiben, die oft so weit geht, daß sie meint,
die Natur mit ihrer harmonisierenden Patina
sei nicht mehr schön und müsse überall ver-
schwinden.

Wir wollen in vollem Sinne Kunstfreunde
sein, wir wollen aber auch Naturfreunde bleiben,
es verträgt sich beides sehr gut, ja es ergänzt
sich, wenn die Künste die feinen Winke, welche
die Natur ihnen gibt, stets befolgen.

Diesen Bund von Kunst- und Naturfreund-
schaft und das Zusammenwirken Beider möchte
ich fast versucht sein, deutsche Romantik zu
heißen — am Rhein war sie immer gerne zu
Hause — und wir wollen ihrer auch heute nicht
vergessen, sie war stets eine Erzieherin zur
Feinsinnigkeit, sie vernahm in den Ruinen das
leise. Flüstern der Geister der Vergangenheit,
sie stand in pietätvoller Scheu vor ihnen und
schützte sie und verstand den Reiz, mit dem
die heilige Natur alles Menschenwerk wieder in
seinen Schoß zurücknimmt. Das Säuseln des
Windes in dem Efeu der alten Mauer erzählte
der Romantik wunderbare Sagen und Märchen,
und die zarte Blume der Flur war ihr ein
lebendiges Wunder. Wir brauchen in unserm
neuen Deutschland freilich jetzt Platz, und
mancher geheime Winkel muß dem neuen Leben
geopfert werden, und vor der Notwendigkeit
beugt sich auch der Romantiker. Aber es gibt
da und dort doch noch Plätze, die man dem
historischen Geiste als Dokumente erhalten könnte,
 
Annotationen