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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Schönleber, Gustav: Notizen zu meinem Leben
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0022

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Gustav Schönleber. Sersheim (Zeichnung).

usw. Ich glaube, wer das Glück hatte wie wir
damals, sollte die Götter nicht noch einmal
versuchen.

Das Castello di Paraggi gehört einem Eng-
länder Mr. Brown, der sich die alte Fortezza
als Wohnsitz einrichtete, und ich hatte es
meinen Verbindungen mit Genua zu danken,
daß ich es „mietweise“ bekam auf 6 Monate.

Im Mai 1894 starb mein Schwager Baisch;
ich habe sehr viel an ihm verloren. Im Som-
mer brachten wir einige Wochen am Bodensee
zu in Arbon, doch hatte meine Malerei nicht
viel Nutzen davon, meistens ein süßliches grün-
blaues Wasser und keine ernsthafte Farbe.

1895 ging ich an die Elbemündung nach Cux-
haven, dann nach Straßburg, um dort die Studien
zu beginnen für das Bild im Reichstag. In
jenem heißen September und Oktober habe ich
viele Schweißtropfen vergossen in dem Dach-
raum mit seinen kleinen Fenstern, wo die
Tauben nisten.

Im Frühling ging ich immer häufiger nach
Besigheim und habe eine große Liebe für dieses
alte Nest, das zwischen Enz und Neckar sich
aufbaut; es ist herrlich da, ehe das Grün über-
hand nimmt, bei hohem Wasserstand und
dunkeln Wolken, die Erde schwerbraun und
die Dächer schwarz und gar bei Hochwasser
gelb, und die langen Berglinien, die Bogen und
Windungen der Ströme.

Mit „Erfindungen“ auf dem Ausrüstungs-
gebiet der Landschafter habe ich mich auch
abgegeben und viel Geld verpulvert. Es gibt
daher einen „Schönleberkasten“ im Handel.
Doch wird er nicht mehr so gut gemacht, wie
unter meiner eigenen Leitung.

Als ich 1880 nach Karlsruhe übersiedelte,
glaubte ich, nicht lange dazubleiben. Doch hat
sichs anders ergeben. Durch unsern Großherzog
ist mir außerordentlich viel zuteil geworden, in
seiner liebenswürdigen Weise hat er Aner-
kennung geübt und hat mir außerordentliches
Vertrauen bewiesen, gerade in der Zeit, da
neue und schroffere Bestrebungen sich auch

hier geltend machten, die ihm persönlich nicht
sympathisch waren; trotzdem habe ich sehr das
Bedürfnis, mich auf mein eigenes Wesen zurück-
zuziehen, mehr als früher, womöglich draußen
zu leben. Geradezu „schwer leidend“ macht
mich das Amt der Direktion unserer Akademie,
das alle 4 bis 5 Jahr kommt im Wechsel.

Der Grofiherzog hat mir auch seinerzeit er-
möglicht, den Bauplatz meines Hauses zu er-
werben, und mir die Ansiedlung so erleichtert.
Hier im eignen Hause konnte ich auch meiner
Mutter das Heim bieten, nachdem sie viel
Schweres in ihrem Leben durchgemacht hatte.
Sie starb 1898. Mein Vater schon 1876. Er verlor
1873 sein Vermögen und ich habe das Glück ge-
habt, von da an immer mit meinem Verdienen
einspringen zu können neben anderm.

Die Entwicklung der Verhältnisse hier hat
mich Mitglied des Künstlerbundes (der hiesigen
Sezession) werden lassen, ich gestehe aber, gegen
meine persönlichen Bedürfnisse; der Streit ist
mir immer zuwider gewesen, weil er so oft
nicht bei der Sache geblieben ist, was ja wohl
auch kaum zu vermeiden sein wird. Jedenfalls
gehöre ich zu denen, die allen Bestrebungen
freie Bahn lassen und machen, sofern sie künst-
lerisch sind, nur kann ich dieses Beiwort nicht
so eng definieren, wie es oft geschieht.

Ich schwärme für Böcklin, für Thoma, seine
Landschaft, dessen Hieherberufung durch den
Großherzog ich für einen großen Gewinn für
Karlsruhe halte. Für Leibi und gewisse Trübner,
für Corots, Daubignys usw. Auch liebe ich
Schwind bei Schack.

Die Neueren und Neuesten lieb ich nur in
einzelnen Werken, habe aber darin Fortschritte
gemacht, während manche frühere Liebe ver-
schwunden ist. Ich glaube, daß wir noch mitten
in der Entwicklung stehen, die sich noch kon-
zentrieren muß und dabei erst abklären wird.
Wie, weiß ich auch nicht. Für mich persönlich
gilt nur das eine: Was du mit Liebe gemacht
hast, wird auch zu Anderen sprechen, alles
übrige kümmert mich eigentlich nicht.

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