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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Gustav Schönleber, ein deutscher Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0026

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Gustav Schönleber. Frühling in Esslingen.

in dieser ganzen Karlsruher Galerie an dem
Tag nicht sehr viele Bilder fand, die hierin
vollkommen waren. Daß darin das große
Feuerbachbild, vielmal majestätischer, ruhiger,
gemessener als das Berliner Gastmahl, unüber-
trefflich schien, wird nicht verwundern. Ist
dieses Bild doch mit der üblen Nachrede be-
haftet, daß darin schon die Ruhe des Todes
sei; das Auge kann sich aus der farbigen Welt
schwer in dieses milde Grau gewöhnen.

Daß aber gerade ein kleines Bild von
Schönleber mich hierin entzücken würde, war
mir an dem Tag überraschend und ich gestehe,
daß es mich wohl ein halbes Dutzend mal
zurückgezogen hat, um den ersten starken Ein-
druck nachzuprüfen. Dann freilich dachte ich
an das genannte Pfingstbild (Heft i Jahrgang V,
Seite 21) und an ein kleines Bild, das ich im
vergangenen Sommer beim Freiburger Kunst-
verein sah, und da wußte ich, daß jener Ein-
druck einer seltenen Virtuosität, der sich so
gern mit dem Namen Schönleber verbindet,
überholt wird durch die Gewißheit, in Schön-
leber einen der größten und sicher einen der
deutschesten Landschaftsmaler zu besitzen.

So geschah es, daß ich aus seinen Werken
einige zur Reproduktion auswählend auf einmal
ein Dutzend Blätter vor mir hatte, die zusammen
ein wahres Preislied auf seine württembergische
Heimat waren; und siehe da: alle waren aus
den letzten Jahren, nicht eins, das seine hohe
Meisterschaft verleugnete, und nicht eins, worin

Gustav Schönleber. Alt-Esslingen.

nicht Liebe und Empfindung in einer einfachen
Größe alle Virtuosität übertönten. Dann gab
ich mich daran, die lange Reihe seiner Bilder,
soweit ich sie aus Erinnerung kenne oder in
Photographien hatte, zu betrachten, und da fand
ich die wechselvolle Geschichte eines Maler-
lebens aufgeschrieben, die zwar in allen Kapiteln
auch die Spuren der wechselnden Zeiten und An-
schauungen trug, aber doch in persönlicher Form
das Schicksal eines Künstlermenschen zeigte,
dem es gegeben war, trotz frühem und andauern-
dem Ruhm über all seine Kunst hinaus wieder
zu sich selber zu kommen.

Die äußeren Erlebnisse mit interessanten
Bekenntnissen hat der Meister selbst lustig er-
zählt in einer Autobiographie, die wir teilweise
in diesem Heft abdrucken können. Diese Be-
trachtung will einen Abriß seiner Entwicklung
als Künstler geben, wie sie in den beigegebenen
Abbildungen deutlich wird. Ich sah im Atelier
Schönlebers Zeichnungen aus seiner Lehrlings-
zeit; sie waren in ihrer sauberen Ausführung
kleinlich, aber sie zeigten in der Art des Aus-
schnitts schon ganz den späteren Meister, der
in allen Entwicklungen immer ein leidenschaft-
licher Zeichner blieb und noch heute an solchen
gezeichneten Blättern (sei es selbst durch das
Perspektiv) eine nicht eben häufige Energie
setzen kann. Vor allem aber erinnerten sie in
der liebevollen Fürsorge für einen schiefen
Fensterrahmen oder ein halb ineinander ge-
sunkenes Dach an seine letzten Bilder; und

io
 
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