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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 11.1906

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Heft 2
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Schur, Ernst: Über dekorative Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.26233#0087

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ÜBER DEKORATIVE MALEREI.

malerisch auszutoben. Zuweilen mischt sich
das Germanentum hinein und wir sehen blonde
Recken im Triumphzug einherschreiten; die
patriotische Welt findet hier ihr Genüge.
Andere gehen ins Altertum zurück und zeigen
uns die drei Parzen oder Odysseus oder sonst
einen antiken Stoff. Aber der Stoff ist gleich-
gültig, entscheidend ist die Handhabung, die
Gestaltung. Und da zeigen sich alle die Keller,
Wagner, v. Werner, Prell, Fitger, Seeliger,
Koch als Schüler der Renaissance. Hauptsache
ist ihnen der malerische Schwung, die Draperie.
Sie werden christlich und malen den Himmel
an die Decke, und Engel schweben in Wolken.
Das Symbol und die Allegorie blüht. Es ist
nicht der strenge Geist eines Cornelius, der
großen Entwürfen nachsinnt, nicht die monu-
mentale Linie eines so eigenen Künstlers wie
Rethel, die nachwirkt, vielmehr ist es die
Folgeperiode koloristischer Natur, die hier Ein-
fluß hat. Man spürt deutlich den renaissan-
cistischen Einfluß. Dem Zeitalter eines
Cornelius haftet etwas Grüblerisches an, ein
Lernenwollen. Die Makart, Piloty fühlten
sich nicht als demütig Lernende, sie traten als
Meister auf, und schwungvoll ist ihre Gebärde.
Sie überlieferten die Tradition der ungeheuer
großen, wandfüllenden Gemälde. Aber sie
brachten keine stilistisch neue Note, sondern
ihr Verdienst liegt in der flüssigeren Verwen-
dung der Farbe, der sie wieder zu huldigen an-
fangen. Die Monumentalmalerei dieser Zeit aber
und der Folgezeiten, die noch jetzt nachwirkt —
jeder Theatervorhang erzählt uns davon, jede
Decke eines öffentlichen Gebäudes — befriedigt
uns nicht. Es ist nicht das Suchen neuer Mittel,
neuer Sprache, sondern das Ausnutzen alter Ten-
denzen, die schon zur Genüge bekannt waren.

Dann ziehen schon neuere Stoffe ein. Das
Leben der Gegenwart kommt zum Ausdruck,
seine Fröhlichkeit und seine Sehnsucht. Volz
schmückt in München das „Cafe Börse“ mit
lustigen Entwürfen, deren derbe Farbigkeit auf-
fällt. Sascha Schneider prägt seinen Arbeiten
den ihm eigenen Geist auf, der in seiner Strenge
hindrängt zur dekorativen Benutzung. Die
spaßige, launige Phantastik eines Diez weiß
die Flächen mit tausend Drolligkeiten zu be-
leben. Wild und pathetisch erscheint die Note
Carl Marrs. Hans Thoma gibt in einigen
Wandbildern, die verschiedene Cafes in Frank-
furt a. M. schmücken, Proben seiner feinen und
doch so ausdrucksvollen Kunst. Es ist ein be-
häbiger, ganz eigener Charakter darin. Meist
wird das volkliche Leben des betreffenden Be-
zirkes mit Geschick verwendet. Kraftvolle Ent-
schiedenheit ist den Linien eigen. Etwas
Natürliches, Echtes zeichnet diese Bilder aus.
F- Lugo mischt in diese Kunst eine böcklinische
Note hinein. Auch Sandreuter geht in dieser
Bahn. Er ist kräftiger, härter.

Hans von Volkmann ist Thoma verwandt.
Er erzählt, aber seine Phantastik ist krauser,
bunter, beweglicher. Er malte ein Restaurant
in Karlsruhe aus. Jank, Münzer und Püttner
schmücken insgesamt den Schwurgerichtssaal
in München. Die flächige Anlage des Ganzen
berührt angenehm. Es ist eine Lokalnote in
dem Stil, etwas Stucksches. Eine eigentüm-
liche Trübheit der Farben ist den Bildern
R. Schuster-Woldans in dem Bundesratssaal
in Berlin eigen. Die großflächige Manier hat
etwas Melancholisches. Fester, resoluter ist
wieder Franz Hein (Karlsruhe).

Die vorgenannten Künstler bilden einen
Übergang. Es kommen nun die, die einen
weiteren Fortschritt insofern darstellen, als sie
den Stil energischer betonen. Der Vorzug der
vorgenannten Maler besteht darin, daß sie die
historisch-allegorische Richtung ablösen, ihr
eine Prägung ins Gegenwärtige, Lebendige
geben und eine fröhlichere Farbigkeit zeigen.
Aber dieser Weg kann noch weiter gehen. Die
Art, wie ihre Persönlichkeit das Werk prägt,
hat noch zu sehr stofflichen anekdotenhaften
Wert. Das Persönliche muß in den Mitteln,
in der Technik sich zeigen. Farbe und Linie
muß eigen geprägt sein. Wie das gemeint ist,
das zeigt am besten Fritz Erler, dessen Aus-
malung eines Musiksalons in Breslau, dessen
dekorative Malereien für das Weinrestaurant
Trarbach in Berlin einen neuen Stil zeigen.
Er hat eine eigene farbige Note, die Vorliebe
für kühle Farben. Seine Phantastik ist nicht
stofflich, sie ist wirklich von Grund aus deko-
rativ. Er zwingt mit Linien und Farben
einen Raum zusammen und nimmt ihm doch
nichts von seiner Weite. Hier ist ein neuer
Geist. Das Gefühl für die Raumwirkung hat
einen neuen Stil geschaffen. Seine Farben
haben etwas Abklingendes, Entrücktes. Fein
ist in ihm das Gefühl für das Formale ent-
wickelt. Der Geist des Rokoko hat in ihm
eine neue, erweiterte, moderne Prägung er-
halten. So erhält die farbige Nuance bei ihm eine
neue Umwertung, die der dekorativen Erschei-
nung zugute kommt; Erler ist in seinen Schöp-
fungen von Grund aus eigen, organisch. Kraft-
voller noch erhebt sich vor uns der Schweizer
Hodler. Seine Wandbilder für das Landes-
museum in Zürich haben die kraftvoll große
Form, die ohne zu übertreiben den Sinn einer
Erscheinung gibt. Er holt aus dem modernen
Farbenempfinden neue Möglichkeiten für das
Dekorative heraus. Und darin liegt seine Be-
deutung im Hinblick auf den Impressionis-
mus, den er in seinem Sinn verwendet. Es
ist interessant, einige dekorative Malereien von
ihm in einer Taverne in Genf zu sehen. Da
ist er stilistisch noch nicht so eigen. Aber das
Harte, Breite kündet sich schon in den robust
hergesetzten Wirtshausszenen an: Trinker und

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